Beute
Mütter da, die ihre kranken Kinder auf dem Schoß hatten, während die anderen Kinder auf dem Fußboden spielten. Die Mütter unterhielten sich und übersahen mich geflissentlich.
Ich gewöhnte mich langsam daran. Ein Mann, der nicht arbeitete, ein Mann in einer Umgebung wie einer Kinderarztpraxis war etwas Ungewöhnliches. Das konnte doch nur bedeuten, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Wahrscheinlich stimmte mit dem Mann irgendetwas nicht, schließlich war er arbeitslos, vielleicht war er wegen Alkohol oder Drogen entlassen worden, vielleicht war er ein fauler Hund. Was immer der Grund war, es war jedenfalls nicht normal, mitten am Tag einen Mann in einer Kinderarztpraxis anzutreffen. Also taten die Mütter so, als wäre ich nicht vorhanden.
Hin und wieder warfen sie mir jedoch einen besorgten Blick zu, als könnte ich mich, wenn sie mir den Rücken zukehrten, von hinten ranschleichen und sie vergewaltigen. Sogar die Sprechstundenhilfe Gloria wirkte misstrauisch. Sie schaute das Baby auf meinem Arm, das nicht schrie und kaum schniefte, flüchtig an. »Was soll ihr denn fehlen?«
Ich sagte, wir seien wegen der Impfung da.
»War sie schon mal bei uns?«
Ja, sie sei seit ihrer Geburt hier.
»Sind Sie mit ihr verwandt?«
Ja, ich sei ihr Vater.
Schließlich wurden wir ins Sprechzimmer geführt. Der Arzt schüttelte mir die Hand, war ausgesprochen freundlich, wollte nicht wissen, warum ich und nicht meine Frau oder die Haushälterin gekommen war. Er gab Amanda zwei Spritzen. Sie brüllte. Ich wiegte sie an meiner Schulter, tröstete sie.
»Kann sein, dass sie eine kleine Schwellung bekommt, eine kleine lokale Rötung. Rufen Sie mich an, wenn die nach achtundvierzig Stunden nicht wieder verschwunden ist.«
Dann war ich wieder am Empfang und kramte meine Kreditkarte hervor, um die Rechnung zu bezahlen, während das Baby noch immer weinte. Und in dem Augenblick rief Julia an.
»Hi. Was machst du gerade?« Sie hatte wohl das Babygeschrei gehört.
»Den Kinderarzt bezahlen.«
»Schlechter Zeitpunkt?«
»Eigentlich ja …«
»Okay, hör zu, ich wollte dir bloß Bescheid geben, dass ich heute pünktlich Feierabend mache - endlich mal! -, ich bin also zum Abendessen da. Soll ich auf dem Weg nach Hause was vom Italiener mitbringen?«
»Das wäre toll«, sagte ich.
Erics Fußballtraining dauerte länger als vorgesehen. Es wurde schon dunkel auf dem Platz. Der Trainer überzog andauernd. Ich tigerte an der Seitenlinie auf und ab und überlegte, ob ich mich beschweren sollte. Es war einfach schwer zu sagen, wann man sein Kind verhätschelte und wann man es rechtmäßig beschützte. Nicole rief von ihrem Handy aus an und sagte, ihre Theaterprobe sei zu Ende und warum ich sie nicht abgeholt hätte? Wo ich denn steckte? Ich sagte, ich sei noch immer mit Eric auf dem Fußballplatz, und fragte, ob sie nicht mit jemandem mitfahren könne.
»Dad … «, sagte sie genervt, als hätte ich von ihr verlangt, nach Hause zu kriechen.
»He, ich kann hier noch nicht weg.«
Sehr sarkastisch: »Ja, klar.«
»Nicht in dem Ton, junge Dame.«
Aber einige Minuten später wurde das Training jäh abgebrochen. Ein grüner Pick-up fuhr auf den Fußballplatz, und zwei Männer stiegen aus, die Masken und dicke Gummihandschuhe trugen, mit Sprühflaschen auf dem Rücken. Sie wollten Unkrautvernichtungsmittel spritzen, und der Platz durfte bis zum nächsten Tag nicht betreten werden.
Ich rief Nicole an und sagte, wir würden sie abholen.
»Wann?«
»Wir sind schon unterwegs.«
»Vom Training des kleinen Ekelpakets?«
»Hör auf, Nic.«
»Wieso kommt er immer an erster Stelle?«
»Er kommt nicht immer an erster Stelle.«
»Tut er doch. Er ist ein kleines Ekelpaket.«
»Nicole …«
»Tschul-di-gung.«
»Bis gleich.« Ich unterbrach die Verbindung. Kinder sind heutzutage Frühentwickler. Die Teenagerzeit fängt mit elf an.
Um halb sechs waren die Kinder zu Hause und plünderten den Kühlschrank. Nicole aß ein großes Stück Mozzarella. Ich sagte ihr, das müsse reichen, sonst habe sie beim Abendessen keinen Hunger mehr. Dann deckte ich den Tisch weiter.
»Wann essen wir denn?«
»Bald. Mom bringt was mit.«
»O-Oh.« Sie verschwand kurz und kam dann wieder. »Sie sagt, es tut ihr Leid, dass sie nicht angerufen hat, aber sie kommt später.«
»Was?« Ich goss gerade Wasser in die Gläser auf dem Tisch.
»Sie sagt, es tut ihr Leid, dass sie nicht angerufen hat, aber sie kommt später. Ich hab eben mit ihr
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