Beute
schrie weiter.
»Ich weiß, es ist unangenehm«, sagte der Assistenzarzt. »Aber ich halte es nicht für ungefährlich, ihr ein Beruhigungsmittel zu geben.« Wir waren in einem durch einen Vorhang abgetrennten Raum in der Notaufnahme. Der Arzt beugte sich über meine schreiende Tochter und schaute ihr mit einem Instrument in die Ohren. Inzwischen war Amanda am ganzen Körper krebsrot. Sie sah aus, als wäre sie gekocht worden.
Ich hatte Angst. Ich hatte noch nie davon gehört, dass ein Baby leuchtend rot wurde und schrie wie am Spieß. Ich traute dem Arzt nicht, der mir viel zu jung erschien, um kompetent zu sein. Er konnte noch keine Erfahrung haben; er sah nicht einmal so aus, als müsse er sich schon rasieren. Ich war furchtbar nervös, trat von einem Fuß auf den anderen. Allmählich spürte ich, wie ich leicht wahnsinnig wurde, weil meine Tochter seit einer Stunde ununterbrochen brüllte. Es zerrte an meinen Nerven. Der Arzt achtete gar nicht darauf. Ich fragte mich, wie er das anstellte.
»Fieber hat sie nicht«, sagte er und notierte etwas auf einem Krankenblatt, »aber bei Kindern in dem Alter hat das ohnehin nichts zu bedeuten. Unter einem Jahr kann es sein, dass sie gar kein Fieber kriegen, selbst bei einer schweren Infektion nicht.«
»Hat sie das?«, fragte ich. »Hat sie eine Infektion?«
»Ich weiß nicht. Ich tippe auf ein Virus, wegen des Hautausschlags. Aber wir müssten das vorläufige Blutergebnis gleich - ah, schön.« Eine Krankenschwester gab ihm im Vorbeigehen einen Zettel. »Ähh … hmmm …« Er hielt inne. »Also …«
»Also was?«, fragte ich und trat wieder von einem Bein aufs andere.
Er starrte kopfschüttelnd auf das Blatt. Er antwortete mir nicht.
»Also was?«
»Es ist keine Infektion«, sagte er. »Die Anzahl der weißen Blutkörperchen ist normal, Proteinfraktion normal. Ihr Immunsystem ist absolut nicht mobilisiert.«
»Was bedeutet das?«
Er war sehr ruhig, stand da, runzelte die Stirn und dachte nach. Ich fragte mich, ob er vielleicht einfach nur dumm war. Heutzutage gingen die besten Leute nicht mehr in die Medizin, nicht bei unserem reglementierten Gesundheitswesen. Der junge Bursche gehörte vielleicht zum neuen Schlag einfältiger Ärzte.
»Wir müssen das diagnostische Netz erweitern«, sagte er. »Ich werde eine allgemeinmedizinische Untersuchung veranlassen, eine neurologische Untersuchung, wir ziehen einen Dermatologen hinzu und jemanden, der auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist. Das bedeutet, eine Menge Leute werden mit Ihnen über Ihre Tochter sprechen und immer wieder die gleichen Fragen stellen, aber …«
»Das macht nichts«, sagte ich. »Kein Problem. Aber … was glauben Sie denn, was sie hat?«
»Ich weiß es nicht, Mr. Forman. Wenn es keine Infektion ist, suchen wir nach anderen Gründen für die Hautreaktion. Sie waren mit ihr nicht im Ausland?«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf.
»Sie ist auch nicht kürzlich mit Metallen oder Toxinen in Berührung gekommen?«
»Auf welche Weise?«
»Müllhalden, Fabriken, Chemikalien …«
»Nein, nein.«
»Haben Sie irgendeine Vermutung, was die Reaktion ausgelöst haben könnte?«
»Nein, nichts … Moment, sie ist gestern geimpft worden.«
»Gegen was?«
»Ich weiß nicht, was man in ihrem Alter eben so kriegt …«
»Sie wissen nicht, was für Impfungen?«, sagte er. Sein Notizbuch war aufgeklappt, sein Stift schwebte über der Seite.
»Nein, Herrgott noch mal«, sagte ich gereizt, »ich weiß nicht, was für Impfungen. Bei jedem Termin kriegt sie eine andere Spritze. Sie sind doch schließlich der Arzt …«
»Schon gut, Mr. Forman«, sagte er beruhigend. »Ich weiß, es ist stressig. Sagen Sie mir einfach, wie der Arzt heißt, ich rufe ihn dann an, was halten Sie davon?«
Ich nickte. Ich wischte mir mit der Hand über die Stirn. Ich schwitzte. Ich buchstabierte für ihn den Namen des Kinderarztes, und er schrieb mit. Ich versuchte, ruhig zu werden. Ich versuchte, klar zu denken.
Und die ganze Zeit über brüllte mein Baby immer weiter.
Eine halbe Stunde später bekam sie Krämpfe.
Sie fingen an, als sich gerade einer von den Spezialisten in Weiß über sie beugte und sie untersuchte. Ihr kleiner Körper krümmte und wand sich. Sie gab Würgelaute von sich, als müsste sie sich übergeben. Ihre Beine schlugen krampfartig. Sie fing an zu keuchen. Ihre Augen drehten sich nach innen.
Ich weiß nicht mehr, was ich in dem Moment alles sagte oder tat, aber ein stämmiger Krankenpfleger
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