Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beute

Beute

Titel: Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
gesprochen.«
    »Herrgott noch mal.« Mir platzte der Kragen. Ich bemühte mich zwar, meinen Ärger nie vor den Kindern zu zeigen, aber manchmal hatte ich mich nicht im Griff. Ich seufzte. »Okay.«
    »Ich komm um vor Hunger, Dad.«
    »Hol deinen Bruder und steigt ins Auto«, sagte ich. »Wir fahren zum Drive-in.«
    Später, als ich das Baby zum Bett trug, stieß ich mit dem Ellbogen gegen ein Foto auf dem Bücherregal im Wohnzimmer. Es fiel scheppernd zu Boden, ich hob es auf. Es war ein Foto von Julia und Eric in Sun Valley, als er vier war. Sie trugen beide Schneeanzüge; Julia brachte ihm Skifahren bei und lächelte strahlend. Daneben stand ein Foto von Julia und mir an unserem elften Hochzeitstag in Kona; ich trug ein schrilles Hawaii-Hemd, und sie hatte bunte Blütenkränze um den Hals, und wir küssten uns bei Sonnenuntergang. Es war eine wunderschöne Reise, wir waren sogar ziemlich sicher, dass Amanda dort gezeugt wurde. Ich weiß noch, wie Julia eines Tages von der Arbeit nach Hause kam und sagte: »Schatz, erinnerst du dich noch, wie du gesagt hast, Mai Tais seien gefährlich?« Ich sagte: »Ja …« Und sie sagte: »Tja, ich will es mal so ausdrücken. Es ist ein Mädchen!« Und ich war dermaßen perplex, dass mir das Mineralwasser, das ich gerade trank, die Nase hochstieg, und wir mussten beide lachen.
    Dann ein Foto von Julia, beim Plätzchenbacken mit Nicole, die noch so klein war, dass sie auf der Küchentheke saß und mit den Beinen nicht an die Kante reichte. Sie war höchstens anderthalb. Nicole, die Stirn vor Konzentration in Falten gelegt, schwang einen großen Löffel mit Teig und richtete eine richtig schöne Sauerei an, während Julia sich das Lachen verkniff.
    Und ein Foto von uns beim Wandern in Colorado; Julia hatte die sechsjährige Nicole an der Hand, und ich trug Eric auf den Schultern, der Kragen meines Hemdes dunkel vor Schweiß -oder Schlimmerem, wenn ich den Tag recht in Erinnerung hatte. Eric musste um die zwei Jahre alt gewesen sein, er trug noch Windeln. Ich weiß noch gut, wie lustig er es immer fand, mir die Augen zuzuhalten, während ich ihn trug.
    Das Wanderfoto war im Rahmen verrutscht und stand schief. Ich tippte gegen den Rahmen, um es wieder gerade zu richten, aber es rührte sich nicht. Ich sah, dass etliche von den anderen Bildern verblichen waren oder dass die Beschichtung am Glas klebte. Niemand hatte sich je um die Bilder gekümmert. Das Baby zog die Nase hoch und rieb sich mit den Fäusten die Augen. Ich stellte die Fotos wieder aufs Regal. Es waren alte Bilder aus einer anderen, glücklicheren Zeit. Aus einem anderen Leben. Sie schienen nichts mit mir zu tun zu haben, nicht mehr. Alles war jetzt anders. Die Welt war jetzt anders.
    Ich ließ den gedeckten Tisch, wie er war, ein stiller Vorwurf. Julia sah es, als sie gegen zehn nach Hause kam. »Tut mir Leid, Schatz.«
    »Ich weiß, du hast viel um die Ohren«, sagte ich.
    »Stimmt. Bitte verzeih mir, ja?«
    »Ich verzeih dir«, sagte ich.
    »Du bist der Beste.« Sie warf mir eine Kusshand zu, vom anderen Ende des Raumes. »Ich hüpf mal eben unter die Dusche«, sagte sie. Und sie ging den Flur entlang. Ich sah ihr nach.
    Auf dem Weg zum Bad warf sie einen Blick in Amandas Zimmer und huschte dann hinein. Gleich darauf hörte ich sie beruhigende Laute von sich geben und das Baby glucksen. Ich stand von meinem Stuhl auf und ging ihr nach.
    Im dunklen Kinderzimmer hielt sie Amanda hoch, rieb mit der Nase an ihrer.
    Ich sagte- »Julia … du hast sie wach gemacht.«
    »Nein, hab ich nicht, sie war wach. Das warst du doch, mein kleines Kuschelhäschen? Du warst doch wach, nicht wahr, mein Knubbel-Bubbel?«
    Das Baby rieb sich mit winzigen Fäusten die Augen und gähnte. Ich war sicher, dass sie aufgeweckt worden war.
    Julia drehte sich im Dunkeln zu mir um. »Ich schwör’s dir. Wirklich. Ich hab sie nicht wach gemacht. Wieso siehst du mich so an?«
    »Wie seh ich dich denn an?«
    »Das weißt du genau. Vorwurfsvoll.«
    »Ich mach dir keinen Vorwurf.«
    Das Baby fing an zu wimmern und dann an zu brüllen. Julia fühlte die Windel. »Ich glaube, sie hat sich nass gemacht«, sagte sie und reichte sie mir, während sie aus dem Zimmer ging. »Sie sind gefragt, Mr. Perfect.«
    Jetzt war dicke Luft zwischen uns. Nachdem ich dem Baby die Windel gewechselt und es wieder ins Bett gelegt hatte, hörte ich, wie Julia aus der Dusche kam und eine Tür zuknallte. Immer wenn Julia Türen knallen ließ, war das für mich das Zeichen,

Weitere Kostenlose Bücher