Beute
sagte ich. »Ja, morgen früh.«
Nach Tims Anruf hätte ich mich eigentlich besser fühlen müssen, aber dem war nicht so. Ich ging mit dem Baby zum Spielplatz und setzte es auf die Schaukel. Amanda konnte vom Schaukeln nie genug kriegen. Manchmal ließ sie sich zwanzig oder dreißig Minuten am Stück von mir anstoßen und schrie jedes Mal, wenn ich sie wieder herunternahm. Später saß ich auf der Betonumrandung vom Sandkasten, während Amanda herumkroch und sich an den Betonschildkröten und anderen Figuren auf die Beine zog. Einmal schubste eins von den größeren Kindern sie um, aber sie weinte nicht, sie stand einfach wieder auf. Es schien ihr Spaß zu machen, mit Älteren zusammen zu sein.
Ich sah ihr zu und dachte darüber nach, wie es wäre, wieder zu arbeiten.
»Du hast doch hoffentlich Ja gesagt«, sagte Ellen zu mir. Wir waren in der Küche. Meine Schwester war gerade angekommen, ihr schwarzer Koffer stand unausgepackt in der Ecke. Ellen wirkte genau wie immer, gertenschlank, sportlich, blond, aufgekratzt. Sie schien einfach nicht zu altern. Sie trank eine Tasse Tee. Die Teebeutel hatte sie selbst mitgebracht. Ein besonderer biodynamischer Oolong-Tee aus einem Spezialgeschäft in San Francisco. Auch das war unverändert - Ellen war schon immer wählerisch gewesen, was das Essen anging, schon als Kind. Seit sie erwachsen war, nahm sie stets ihren eigenen Tee, ihre eigenen Salatdressings, ihre eigenen Vitamine mit, wenn sie unterwegs war, alles schön ordentlich verpackt.
»Nein, hab ich nicht«, erwiderte ich. »Ich hab gesagt, ich würde drüber schlafen.«
»Drüber schlafen? Machst du Witze? Jack, du musst wieder arbeiten. Das weißt du doch selbst.« Sie starrte mich prüfend an. »Du bist depressiv.«
»Bin ich nicht.«
»Du solltest was von dem Tee hier trinken«, sagte sie. »Der viele Kaffee ist schlecht für deine Nerven.«
»Tee hat mehr Koffein als Kaffee.«
»Jack. Du musst wieder arbeiten.«
»Das weiß ich, Ellen.«
»Und eine Beratertätigkeit … wäre das nicht ideal? Die Lösung für alle deine Probleme?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Wieso. Was weißt du nicht?«
»Ich weiß nicht, ob die mir alles erzählt haben«, sagte ich. »Ich meine, wenn Xymos wirklich Probleme hat, wieso hat Julia mir dann kein Wort davon gesagt?«
Ellen schüttelte den Kopf. »Ich hab den Eindruck, dass Julia in letzter Zeit überhaupt wenig erzählt.« Sie blickte mich an. »Also, warum hast du nicht direkt Ja gesagt?«
»Ich muss mich erst noch ein bisschen umhören.«
»Wozu denn das, Jack?« In ihrer Stimme schwang Skepsis mit. Ellen benahm sich, als hätte ich ein psychisches Problem, das behoben werden musste. Meine Schwester fing an, mir auf die Nerven zu gehen, dabei waren wir erst zehn Minuten zusammen. Meine große Schwester, die mich wieder behandelte, als wäre ich ein kleines Kind. Ich stand auf. »Hör zu, Ellen«, sagte ich. »Ich arbeite seit einer Ewigkeit in dieser Branche, und ich weiß, wie sie funktioniert. Es gibt zwei mögliche Gründe, weshalb Don mich zurückhaben will. Der erste ist, dass die Firma in der Klemme steckt und sie glauben, dass ich helfen kann.«
»Wie sie gesagt haben.«
»Richtig. Wie sie gesagt haben. Aber die andere Möglichkeit ist die, dass sie einen unglaublichen Schlamassel angerichtet haben, der sich nicht mehr beheben lässt - und dass sie das wissen.«
»Und sie brauchen einen, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben können?«
»Richtig. Sie brauchen einen Idioten, dem sie das anhängen können.«
Sie runzelte die Stirn. Ich sah, dass sie verunsichert war. »Meinst du wirklich?«
»Ich weiß es nicht, das ist ja der Haken bei der Sache«, erwiderte ich. »Aber ich muss es herausfinden.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Ein bisschen herumtelefonieren. Vielleicht morgen ein kleiner Überraschungsbesuch bei denen da draußen.«
»Okay. Das hört sich ganz vernünftig an.«
»Freut mich, dass ich dein Einverständnis habe.« Ich konnte die Verärgerung in meiner Stimme nicht unterdrücken.
»Jack«, sagte sie. Sie stand auf und umarmte mich. »Ich mach mir doch nur Sorgen um dich.«
»Das weiß ich«, sagte ich. »Aber du hilfst mir damit nicht.«
»Okay. Womit kann ich dir denn dann helfen?«
»Pass auf die Kinder auf, während ich telefoniere.«
Als Erstes wollte ich Ricky Morse anrufen, den ich beim Pampers-Kaufen im Supermarkt getroffen hatte. Ich kannte Ricky schon lange; er war bei Xymos, und er ging locker mit
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