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Beute

Beute

Titel: Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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aufgekratzt, dass sie es nicht merkte. Ich fragte mich allmählich, ob sie Drogen nahm. Verhielt sie sich deshalb so sonderbar? Nahm sie Amphetamine?
    »Und in der Firma«, fuhr Julia fort, »ist es im Augenblick so unglaublich spannend. Xymos ist ein richtiger Durchbruch gelungen - ein Durchbruch, auf den alle schon seit über zehn Jahren warten. Aber jetzt endlich ist es so weit.«
    »Wie der schwarze Umhang?«, sagte ich, um zu sehen, wie sie reagieren würde.
    Julia blinzelte. »Der was?« Sie schüttelte den Kopf. »Wovon redest du, Schatz?«
    »Ein schwarzer Umhang. Hast du nicht neulich was von einem schwarzen Umhang gesagt?«
    »Nein …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was du meinst.« Sie wandte sich an Ellen. »Jedenfalls, diese ganze Molekulartechnologie marktfähig zu machen hat wesentlich länger gedauert, als wir gedacht haben. Aber jetzt haben wir es geschafft.«
    »Du klingst richtig begeistert«, sagte Ellen.
    »Ich kann dir sagen, es ist faszinierend, Ellen.« Sie senkte die Stimme. »Und obendrein bringt es wahrscheinlich auch noch ordentlich was ein.«
    »Das wäre schön«, sagte Ellen. »Aber du musst bestimmt jede Menge Überstunden machen …«
    »So viele nun auch wieder nicht«, sagte Julia. »Alles in allem war es nicht so schlimm. Erst seit einer Woche oder so.«
    Ich sah, wie Nicoles Augen größer wurden. Eric starrte seine Mutter an, während er kaute. Aber die Kinder sagten nichts. Ich auch nicht.
    »Es ist nur vorübergehend«, fuhr Julia fort. »Alle Firmen haben diese Übergangsphasen.«
    »Ja klar«, sagte Ellen.
    Die Sonne ging langsam unter. Die Luft wurde kühler. Die Kinder standen vom Tisch auf. Ich fing an, das Geschirr abzuräumen. Ellen half mir. Julia sprach weiter und sagte dann: »Ich würde gern bleiben, aber ich bin an einer wichtigen Sache und muss noch mal dringend ins Büro.«
    Falls Ellen überrascht war, so zeigte sie es nicht. Sie sagte lediglich: »Überstunden.«
    »Nur vorübergehend.« Sie wandte sich an mich. »Danke, dass du die Stellung hältst, Schatz.« An der Tür drehte sie sich um und warf mir eine Kusshand zu. »Danke, Jack.«
    Und weg war sie.
    Ellen sah ihr stirnrunzelnd nach. »Ein kleines bisschen abrupt, findest du nicht?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Verabschiedet sie sich nicht von den Kindern?«
    »Vermutlich nicht.«
    »Sie haut einfach so mir nichts dir nichts ab?«
    »Genau.«
    Ellen schüttelte den Kopf. »Jack«, sagte sie, »ich weiß nicht, ob sie eine Affäre hat oder nicht, aber - was nimmt sie?«
    »Nichts, soweit ich weiß.«
    »Irgendwas nimmt sie. Da bin ich sicher. Würdest du sagen, dass sie abgenommen hat?«
    »Ja. Einiges.«
    »Und sie schläft sehr wenig. Und ist offensichtlich aufgekratzt …« Ellen schüttelte den Kopf. »Viele gestresste Manager nehmen Drogen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    Sie sah mich nur an.
    Ich ging wieder in mein Arbeitszimmer, um Ricky anzurufen, und vom Fenster aus sah ich, wie Julia in der Einfahrt den Wagen zurücksetzte. Ich wollte ihr zuwinken, aber sie blickte über die Schulter, während sie rückwärts fuhr. Im Abendlicht spiegelten sich Streifen, von den Bäumen darüber, auf der Windschutzscheibe. Julia war fast an der Straße, als ich meinte, jemanden neben ihr auf dem Beifahrersitz zu sehen. Anscheinend ein Mann.
    Durch die Frontscheibe des fahrenden Wagens konnte ich sein Gesicht nicht erkennen. Und als Julia auf die Straße bog, versperrte ihr Körper mir den Blick auf die Person. Aber es wirkte so, als würde Julia mit ihm reden, angeregt. Dann legte sie den ersten Gang ein und lehnte sich zurück, und einen kurzen Augenblick lang sah ich den Mann deutlich. Er saß im Gegenlicht, sein Gesicht lag im Schatten, und offenbar blickte er Julia direkt an, da ich noch immer keine Gesichtszüge ausmachen konnte, doch er hing so lässig im Sitz, dass er mir recht jung vorkam, vielleicht in den Zwanzigern, obwohl ich auch das nicht mit Sicherheit sagen konnte. Es war nur ein flüchtiger Eindruck. Dann beschleunigte der BMW, und Julia fuhr die Straße hinunter.
    Ich dachte: Jetzt reicht’s aber. Ich lief nach draußen und die Einfahrt hinunter. Ich erreichte die Straße, als Julia gerade an dem Stoppschild am Ende des Blocks hielt und die Bremslichter aufleuchteten. Sie war rund fünfzig Schritte entfernt, die Straße in schwaches, schräg einfallendes, gelbes Licht getaucht. Es schien, als wäre Julia allein im Wagen, aber ich konnte es wirklich nicht deutlich sehen.

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