Beverly Barton, Hexenopfer
Männern, stämmig gebaut, aber nicht muskulös, rötliches Gesicht, wässrig blaue Augen, beinahe feminine Gesichtszüge.
»Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht«, sagte MacNair.
»Wieso?« Jacob hatte das Gefühl, schon zu wissen, was der Arzt sagen würde. Genny hatte wahrscheinlich richtig vermutet – Nina MacNair war mit einem anderen Mann durchgebrannt.
»Meine Frau wird nicht vermisst.«
»Haben Sie von ihr gehört?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht direkt. Aber ihre Mutter hat mich vor ungefähr einer halben Stunde angerufen. Anscheinend hat sich Nina mit ihr in Verbindung gesetzt, weil sie nicht wollte, dass sich ihre Mutter Sorgen um sie macht. Nina wusste, ich würde Mrs Grant anrufen.«
»Und Ihre Schwiegermutter hat Ihnen gesagt, dass es Ihrer Frau gut geht?«
»Nina hat mich verlassen. Mrs Grant hat mir gesagt, Nina habe ihren früheren Freund nach Cherokee Pointe kommen lassen, um sie am frühen Morgen abzuholen. Sie ist zu Fuß von unserem Haus in die Stadt gegangen. Sie wird bei ihrer Mutter einziehen, bis wir die Scheidung durchhaben, dann wird sie heiraten … Sie hat heute Morgen nichts mitgenommen. Sie wollte nicht riskieren, erwischt zu werden. Sie hatte Angst, ich würde sie anflehen, zu bleiben.«
Jacob musste das nicht hören, er wollte es nicht. Er verabscheute den Anblick eines Mannes, der von der Frau, die er liebt, erniedrigt und gedemütigt worden ist.
Jacob ging quer durch den Raum, legte dem Arzt die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich werde mich um die Vermisstenanzeige kümmern. Ich kann angeben, Mrs MacNair sei nach Hause gefahren, um ihre Mutter zu besuchen.«
»Das alles tut mir leid. Ich habe wirklich gedacht …« MacNair unterdrückte ein Seufzen. »Gott sei Dank habe ich mich getäuscht in der Annahme, der Mörder hätte sie.«
Jacob brachte den Arzt hinaus zu seinem Wagen und war von Herzen dankbar, dass er sich nie emotional von einer Frau hatte kastrieren lassen.
Genny nahm eine Steppdecke oben aus dem Schrank in der Diele und trug sie in Dallas’ Schlafzimmer. Sie hatte ihm Jacobs altes Zimmer gegeben, das ihrem direkt gegenüber lag. Als Dallas sie kommen hörte, drehte er sich zu ihr um.
»Hier ist eine zusätzliche Decke.« Sie hielt ihm die Patchworkschöpfung hin, die Granny vor ihrem Tod zusammengestellt hatte. »Brauchst du noch etwas?«
Ihr Herz schlug schneller, als sie bemerkte, wie er sie ansah. Als wäre sie alles, was er wollte, alles, was er je brauchte. Und im ganzen Leben brauchen würde.
Dallas nahm die Decke und warf sie ans Fußende des Bettes. »Du musst eine Alarmanlage einbauen lassen.«
»Gut. Soll ich morgen jemanden anrufen?«
»Das mache ich.«
»Danke.«
»Keine Ursache. Ich bin hier, um auf dich aufzupassen, und eine Alarmanlage installieren zu lassen, gehört dazu, deine Sicherheit zu gewährleisten.«
»Wenn du hier bist, fühle ich mich sicher.«
Dallas betrachtete sie, sein Blick wanderte rasch von ihrem Gesicht zu ihren Füßen und kam dann langsam wieder zurück. »Als wir uns zum ersten Mal begegneten, war ich überrascht, welch starken Eindruck du auf mich machtest. Ich redete mir ein, du hättest mich verzaubert.«
»Und was glaubst du jetzt?«, fragte sie.
»Jetzt weiß ich, dass du mich verzaubert hast.«
»Du weißt, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Wir sind demselben Zauber erlegen.«
Dallas hob die Hand. Genny kam zu ihm, wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen. Er fuhr mit dem Handrücken über ihre Wange. Sie schloss die Augen und genoss seine Berührung.
»Du musst wissen, wie sehr ich dich begehre.« Er ließ die Hand sinken.
»Ja, ich weiß. Du begehrst mich ebenso wie ich dich.«
»Mehr«, sagte er mit leiser, sehnsüchtiger Stimme.
Ihr Leben lang hatte sie auf diesen Mann und diese Nacht gewartet. Sie spürte Gefahr ringsum, die von Tag zu Tag näher rückte. Bald – sehr bald – würde sie dem Tod ins Auge blicken. Und das Einzige, was sie retten konnte, war die Liebe dieses Mannes.
21
Genny hatte sich oft gefragt, wie es wohl sein würde, sich zu verlieben. Jetzt wusste sie es. Die Empfindungen waren belebend. Die Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten, waren verlockend. Sie wollte Dallas in- und auswendig kennen. Mental, emotional, körperlich. In dieser Nacht würden sie die Verbindungen knüpfen, die ein Leben lang halten würden. Die spirituelle Bindung würde später kommen, wenn Dallas sie als das hinnahm, was sie war – sie vollkommen und ohne
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