Beverly Barton, Hexenopfer
damit …« Royce blinzelte und versuchte, die Schatten, die ihn umzingelten, zu erkennen. »Was ist hier los? Was sind das …«
Der Himmel wurde heller. Royce starrte auf die Ansammlung wilder Tiere, die im Kreis um den Altar standen, nur wenige Meter entfernt. Ein Wolfsrudel bildete den inneren Kreis. Gennys Drudwyn war darunter, ebenso Peter und Paul. Mindestens ein Dutzend Rehe hatten sich in einigem Abstand aufgestellt, beobachteten und warteten. Und große Wölfe trabten von Osten, Westen, Norden und Süden auf den Altar zu. Eulen und andere Vogelarten füllten die Bäume und kreisten über ihnen.
»Was geht hier vor?« Royces Stimme zitterte vor Angst.
»Weißt du das nicht?«
Royce schüttelte den Kopf.
»Kannst du es dir nicht denken?«, neckte ihn Genny. »Ich habe Drudwyn gerufen, und er hat die Raubtiere des Berges und die Geschöpfe der Wälder zusammengetrommelt, um mich zu beschützen.«
Royce hob sein Schwert. Die ersten schwachen Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem Metall wider.
»Du wirst sterben. Deine Macht wird mir gehören«, rief Royce. »Dann werde ich diese Tiere beherrschen!«
Er holte mit dem Schwert aus, führte es nach vorn, doch bevor es Genny berührte, fiel ein Gewehrschuss. Die Kugel aus Dallas’ Waffe zischte an der Versammlung der Tiere vorbei und traf ins Ziel – Royce Pierpont. Er schrie vor Schmerz auf und sank zu Boden.
Dallas und Jacob rannten zum Altar. Tränen der Dankbarkeit traten Genny in die Augen. Hektisch lösten sie die Fesseln von Gennys Händen und Füßen, dann setzte Dallas sie aufrecht hin, zog seinen Mantel aus und wickelte sie darin ein.
»Ich wusste, du würdest zu mir kommen«, sagte Genny mit kaum hörbarer Stimme.
»Versuche nicht zu sprechen, Schatz«, erwiderte Dallas. »Wir müssen dich auf schnellstem Weg ins Krankenhaus bringen.«
»Ich komme schon klar. Keine Bange.« Sie warf einen Blick auf die Stelle, an der Royce zu Boden gesunken war, aber er war nicht mehr da. »Wo ist …« Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus, als sie erkannte, dass zwei Wölfe – unter Drudwyns Anleitung – Royce an den Armen fortzerrten.
»Ich schieße nicht auf Wölfe, nur um die Leiche dieses Ungeheuers zurückzuholen«, sagte Jacob.
»Sie sollen ihn haben.« Dallas umfing Genny mit seinen starken Armen und trug sie von der Lichtung auf Oocumma Mount.
Während die Wölfe die Gerechtigkeit der Natur walten ließen, zerstreuten sich die Tiere und verschwanden im Wald, Eulen und andere Vögel flogen davon und gaben den Morgenhimmel frei.
Epilog
Der Frühling in den Bergen stand kurz bevor. Die abgestorbene Winterwelt zeigte bereits Anzeichen neuen Lebens. Krokusse reckten ihre kleinen, bunten Köpfe durch die harte, kalte Erde, um die jährliche Erneuerung von Mutter Erde anzukündigen. Genevieve Madoc ging es von Tag zu Tag besser. Körperlich. Geistig. Emotional. Wichtiger war jedoch, dass sie spirituell heilte. Dallas’ Liebe und Hingabe hüllten sie mit der Kraft ein, die sie brauchte, nicht nur, um zu überleben, sondern um sich zu regenerieren.
Das, was von Royce Pierpont übrig blieb, als die Wölfe mit ihm fertig waren, durchlief die richtigen Kanäle und hatte, soweit bekannt war, eine christliche Beerdigung erhalten. Jazzy für ihren Teil hoffte, dass man seine Überreste den Fischen zum Fraß in den Fluss geworfen hatte.
In Cherokee Pointe und dem gesamten County war allmählich das normale Leben wieder eingekehrt. In ein paar Wochen würde mit dem Frühling die Touristensaison beginnen, und die Einwohnerzahl der kleinen Stadt würde sich verdreifachen. Jazzy hörte bereits die Kassen klingeln. Sie lächelte vor sich hin.
»Alles ist fertig«, sagte Tiffany.
Jazzy schnappte erschrocken nach Luft.
»Entschuldige.« Tiffany lachte. »Wir sind alle bereit. Wann erwartest du sie hier?«
»Jeden Augenblick.«
»Willst du noch schnell alles inspizieren?«
»Ja, ich würde …«
Die Eingangstüren vom Jasmine’s flogen auf, und Dallas geleitete Genny hinein. Jazzy lief auf sie zu, um sie zu begrüßen.
»Du siehst hinreißend aus.« Jazzy ergriff Gennys Hände und musterte sie von Kopf bis Fuß. Genny trug ein schwarzes, schlicht geschnittenes Seidenkleid, darüber eine handbestickte schwarze Kaschmirjacke.
»Und was ist mit mir?«, fragte Dallas spöttisch.
Jazzy schenkte ihm einen flüchtigen Blick. Er war mit einem schwarzen Anzug, weißem Hemd und einer roten Krawatte herausgeputzt. »Du siehst auch hinreißend aus.«
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