Himmel, hilf!
1. KAPITEL
G reg Bennett hasste Weihnachten.
Er hatte noch nie an dieses ganze Gerede von “Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen” geglaubt. Sentimentales Zeug, seiner Ansicht nach. Nein, in einer Stadt war Weihnachten einfach gleichbedeutend mit Kommerz – und San Francisco stellte dabei keine Ausnahme dar. Man musste sich doch nur umsehen! Kaum Anfang Dezember, und in den Schaufenstern sämtlicher Kaufhäuser drängten sich Wichtel, Nikoläuse und lamettabehangene Weihnachtsbäume. Und das schon seit Wochen!
Das Schlimmste waren in Gregs Augen aber die Menschenmassen. Alle Welt schien Weihnachtsgeschenke zu kaufen, und die Passanten wirkten dabei auch noch unnatürlich fröhlich. All das verdüsterte seine eigene Laune nur noch.
Nichts hätte ihn um diese Jahreszeit in die Stadt gebracht, wenn er nicht dringend einen Kredit gebraucht hätte. Wenn er das Geld nicht bekam, dann musste er noch vor Jahresende die wenigen verbliebenen Mitarbeiter entlassen, und das würde das Ende seines Weinguts bedeuten. Eine Krankheit hatte seine Reben und damit die Arbeit von Jahrzehnten innerhalb von Monaten dahingerafft. Nun sah die Zukunft des Weinbergs düster aus, und Greg stand vor dem Ruin.
Den Morgen hatte er damit verbracht, bei einer Bank nach der anderen Klinken zu putzen. Genau wie die anderen betroffenen Winzer hatte er es zunächst bei den kleinen Banken im Napa Valley versucht – ohne Erfolg. Die Krankheit hatte nicht nur seinen Weinberg zerstört, sondern auch die der anderen. Einige Rebflächen allerdings waren aus bisher unerfindlichen Gründen verschont geblieben. Nach der Katastrophe hatten zunächst Gerüchte über staatliche Hilfen die Runde gemacht, aber das Geld war ausgeblieben. Offenbar war das Unglück nicht so groß, dass die Politik Handlungsbedarf sah. Pech für Greg.
Er befand sich in einer Zwickmühle: Ohne Darlehen konnte er keine neuen Reben pflanzen. Ohne Reben keine Trauben, ohne Trauben kein Wein, und ohne Wein kein Winzer. Kein Gregory Bennett.
Was er nach einem solchen Morgen brauchte, waren ein ordentlicher Drink und ein bisschen weibliche Gesellschaft. Also betrat er das elegante Hotel St. Francis – nur um sich sogleich einem riesigen Weihnachtsbaum mit Goldkugeln und rotsamtenen Schleifen gegenüberzusehen. Angewidert wandte er sich ab und ging hastigen Schrittes auf die Bar zu.
Der Barkeeper schien zu spüren, dass dieser Kunde dringend etwas zu trinken brauchte. “Was darf ich Ihnen bringen?”, fragte er prompt. Sein Namensschild wies ihn als Don aus.
Greg setzte sich auf einen der Barhocker. “Einen Martini, bitte.” Am liebsten hätte er um einen doppelten gebeten, aber es war noch nicht einmal Mittag. Außerdem musste er noch nach Hause fahren. Nicht, dass es ihn besonders heimwärts gezogen hätte. Das Haus war so leer wie sein ganzes Leben. Nun ja, natürlich nicht leer im wörtlichen Sinne – die Möbel hatte Tess schließlich nicht mitgenommen. Aber er fühlte sich darin so einsam wie nie zuvor.
Tess, seine dritte und habgierigste Ehefrau, hatte ihn vor einem halben Jahr verlassen. Noch immer stritten die Scheidungsanwälte darüber, wie das Geld aufgeteilt werden sollte, und die Sache würde sich sicher noch eine Weile hinziehen. Warum sollten die Rechtsverdreher sich auch beeilen, wenn sie für jede Stunde eine Rechnung über dreihundert Dollar schreiben konnten?
Wie auch immer: Tess war weg. Greg erhob stumm das Glas darauf, sie aus seinem Leben verbannt zu haben. Insgeheim schwor er sich, nie wieder den gleichen Fehler zu begehen und noch einmal zu heiraten. Drei zerbrochene Ehen machten es ganz deutlich: Er war einfach nicht für dauerhafte Zweisamkeit geschaffen.
Und trotzdem – er vermisste Tess, wie er sich etwas überrascht eingestehen musste. Nun ja, vielleicht ging es ihm weniger um Tess selbst als die Sehnsucht danach, sich im Bett an einen warmen Körper zu schmiegen. Eigentlich hatte er schon bei der Hochzeit gewusst, dass er einen Fehler machte. So viel hätte ihn das unschöne Ende seiner zweiten Ehe jedenfalls lehren können. Die erste Ehe hatte zehn Jahre lang gehalten, und er hatte sich mit Jacquie überworfen, weil … Warum eigentlich? Er konnte sich schon nicht mehr daran erinnern. Vermutlich war es um eine blöde Kleinigkeit gegangen. Wie üblich.
“Sind Sie in der Stadt, um einzukaufen?”, erkundigte der Barkeeper Don sich beiläufig, während er eine Schale mit Erdnüssen vor Greg hinstellte.
Verächtlich lachte
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