Bevor ich verbrenne
dem brennenden Haus von Olav und Johanna stand, aber ich weiß nicht, was er dachte oder mit wem er redete, und es gelingt mir nicht, sein Gesicht vor mir zu sehen.
Asche zog sich über den Garten, große Placken schwebten lange in der Luft, bevor sie auf die Bäume fielen oder sich auf die parkenden Autos legten, leise wie Schnee. Ein Motorrad wurde angelassen und verschwand mit zwei jungen Männern. Der eine mit, der andere ohne Helm.
Man konnte nichts tun. Das Haus von Olav und Johanna Vatneli brannte bis auf die Grundmauern nieder.
Am Ende stand lediglich noch der Schornstein. Es dämmerte allmählich und die meisten Autos waren verschwunden. Nur der Rauch hing wie ein dünner, durchsichtiger Nebel über dem Garten und zwischen den Bäumen in unmittelbarer Nähe des Hauses. Die beiden in Knut Karlsens Keller hatten nichts als die Nachthemden, die sie trugen. Und die Tasche. In der dreitausend Kronen lagen.
Um vier Uhr war es so hell, dass die Vögel anfingen zu singen. Es war ein intensiver und eigenartiger Gesang, ein leidenschaftlicher Jubel, der sich mit dem Geräusch der Wasserpumpen mischte, die noch immer brummend arbeiteten. Man benötigte viel Wasser, daher hatten sie die Schläuche den unwegsamen Abhang hinunter zum Livannet ausgerollt und das Wasser dreißig Meter hinaufgepumpt.
Drei Journalisten und mehrere Fotografen umkreisten die Brandstätte. Sie sprachen zunächst mit dem Bezirksobmann Knut Koland, dann gingen sie den Hang hinauf und klopften an die Kellertür. Sie redeten mit Johanna. Olav lag mit einer Decke auf dem Sofa, starrte an die Zimmerdecke und befand sich in einer anderen Welt. Johanna beantwortete ruhig und beherrscht alle Fragen, sie sagte jedes Mal dasselbe. Langsam, damit die Journalisten genügend Zeit zum Mitschreiben hatten. Dann wurden Fotos von ihr gemacht. Mehrere Bilder aus verschiedenen Winkel n – und doch zeigten die Fotos, die bereits am gleichen Tag in Fædrelandsvennen , Sørlandet und Lindesnes gedruckt wurden, nur ihr verzweifeltes Gesicht. Ihre Augenbrauen waren versengt, sie hatte Ruß auf den Wangen, einen Kratzer an der Stirn und sah aus wie die Überlebende eines Grubenunglücks.
Im Übrigen war sie ruhig.
Nachdem alle gegangen waren, fielen ihr ihre Zähne ein, die neben Olavs Zähnen in einem Glas auf der Ablage unter dem Spiegel standen. Doch dann wurde ihr klar, dass es keine Ablage mehr gab, und es gab auch kein Glas mehr und keine Zähne, weder ihre noch Olavs. Ich habe ihn vor mir gesehen, diesen merkwürdig klaren, eiskalten Moment, als ihr bewusst wurde, dass sie absolut alles verloren hatte, bis hin zu ihren Zähnen. Erst jetzt liefen ihr leise die Tränen über die Wangen.
II
Seit ich klein war, habe ich die Geschichte von den Bränden gehört. Anfangs waren es meine Eltern, die sie erzählten, doch erst als ich älter wurde und sie von anderen hörte, erkannte ich, dass tatsächlich alles der Wahrheit entsprach. Es gab längere Phasen, da spielte diese Geschichte überhaupt keine Rolle, und dann, plötzlich, tauchte sie in einem Gespräch, einem Zeitungsartikel oder ganz einfach ohne jeden Anlass in meinem Bewusstsein wieder auf. Sie ist mir dreißig Jahre lang gefolgt, ohne dass ich genau wusste, was passiert ist oder worum es eigentlich ging. Ich erinnere mich, als Kind auf dem Rücksitz des blauen Datsuns gesessen zu haben. Wir waren auf dem Weg zu meinen Großeltern in Heivollen und fuhren an dem Haus vorbei, in dem der Pyromane wohnte. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich etwas Fremdes und Verlockendes spüren, als wir daran vorbeifuhren. Kurz darauf kamen wir an dem Haus von Sløgedal vorbei, dem Komponisten und Domorganisten in Kristiansand, und wie gewöhnlich zeigte mein Vater auf die alte Scheunenrampe, die nicht zu der neu gebauten Scheune passte. Dort hat es gebrannt, als du getauft wurdest , sagte er, und so kam es, dass ich die Brände auf die eine oder andere Weise mit mir in Verbindung brachte.
Aber es gab so viele Dinge, die ich nicht wusste, daher hatte ich nie daran gedacht, über die Brände zu schreiben. Es schien mir zu groß, zu umfangreich und zu nah.
Doch die Geschichte lag wie ein Schatten auf mir, bis ich mich schließlich entschloss, sie niederzuschreiben. Der Entschluss fiel plötzlich, im Frühjahr 2009, als ich nach Hause zurückgezogen bin.
Folgendes war geschehen:
Einige Wochen zuvor, im April, saß ich allein auf dem Dachboden der alten Schule von Lauvslandsmoen und wühlte in Kisten mit alten
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