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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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als wäre das Alter ausgewischt. Dann erfasste das Feuer plötzlich den alten Kirschbaum vor dem Küchenfenster. Der immer so früh blühte und auf den Kåre so gern geklettert war. Im Spätsommer bog er sich schwer von Kirschen, hatte man mir erzählt, und die größten und süßesten hingen immer ganz außen an den Ästen. Jetzt stand er sofort in Flammen. Ein Feuersturm fuhr durch die Blüten und Zweige, dann brannte die ganze Krone mit einem eigenen Knistern. Kurz darauf hörte man eine helle Stimme, doch es war unmöglich zu sagen, ob sie Johanna oder Olav gehörte: Herr Jesus. Herr Jesus.
    Ich habe alles vor mir gesehen. Es war der achte Brand, die Uhr zeigte kurz nach halb eins in der Nacht des 5 . Juni 1978.
    Dann kam die Feuerwehr.
    In weiter Ferne hörten sie die Sirenen, auf der Ebene bei Fjeldsgård, oder vielleicht sogar noch weiter entfernt, vielleicht schon vom Gebetshaus in Brandsvoll, vielleicht hörten sie sogar das Geheul des Alarms von Skinnsnes? Undenkbar ist es nicht, schließlich konnte man den Feueralarm bis zur Kirche hören. Aber den Feuerwehrwagen hörten sie in jedem Fall, die Sirenen wurden lauter, heller und schärfer, und bald ahnten sie das Blaulicht, das an der alten Sandgießerei am Ende des Livannet, am Schlachthaus, der Shell-Tankstelle, am Pfarrhaus mit dem Balkon, dem alten Schulgebäude von Kilen und Kaddebergs Laden vorbeiflackerte, bevor sich die Geschwindigkeit am Hügel von Vatneli verringerte.
    Als der Feuerwehrwagen hielt, sprang ein junger Mann heraus und rannte auf sie zu.
    »Sind noch Leute drin?«, schrie er.
    »Sie sind rausgekommen«, antwortete Odd Syvertsen, doch der Mann schien es nicht zu hören. Er rannte zum Feuerwehrwagen, zog mehrere Schlauchrollen heraus und warf sie einfach auf den Boden; sie rollten wie Räder über die Straße und blieben liegen. Dann öffnete er ein paar Schiebetüren und schmiss ein paar Äxte auf die Erde und einen Feuerwehrhelm, der im Kies liegen blieb und ein wenig hin- und herschaukelte. Daraufhin blieb er einen Moment stehen und betrachtete die Flammen, die Arme hingen ihm schlaff am Körper herab. Ein paar Sekunden stand er neben Olav, Johanna und Odd Syvertsen; sie standen einfach nebeneinander und betrachteten das Unbegreifliche, das sich vor ihren Augen abspielte.
    Vier Autos fuhren mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu. Sie hielten alle ein Stück hinter dem Feuerwehrfahrzeug, dann wurden die Scheinwerfer ausgeschaltet und vier schwarz gekleidete Männer kamen angelaufen.
    »Vielleicht sind noch Leute drin«, rief der junge Mann. Er trug ein dünnes weißes Hemd, das um seinen mageren Oberkörper flatterte. Er schloss zwei Schläuche an die kräftige Wasserpumpe vorn am Feuerwehrwagen, zwei andere Männer hielten sich zum Löschen bereit. Genau in diesem Moment knallte es in den Flammen so laut, dass der ganze Hügel bebte und alle sich zusammenkrümmten, als hätte sie ein Projektil in den Bauch getroffen. Irgendjemand fing an zu lachen, man konnte nicht sehen, wer, dann legte Odd Syvertsen einen Arm um Olav und Johanna, zog sie mit einem liebevollen, aber energischen Ruck mit sich und brachte sie den Hang hinauf zu seinem Haus. Diesmal folgten sie ihm widerspruchslos. Er rief Knut Karlsen an. Karlsen und seine Frau kamen sofort, die Sirenen und das gewaltige Flammenmeer hatten sie ohnehin geweckt. Im Laufe der nächsten Stunden wurde beschlossen, dass Olav und Johanna bei den Karlsens im Keller wohnen konnten, bis die Situation sich wieder beruhigt hatte.
    Das Flammenmeer wogte über den Himmel, doch Olav und Johanna sahen es nicht. Das Licht wechselte von weiß zu rostrot, und ging dann beinahe in violett- und orangefarbene Töne über. Es war ein ungeheurer Anblick. Als der Dachstuhl zusammenstürzte, erhob sich ein knisternder Funkenregen, der einige Sekunden wie schwerelos in der Luft schwebte, erlosch und verschwand. Das Laub der Bäume kräuselte sich. Die wilden Vögel waren verschwunden, sie hatten sich endlich voneinander gelöst. Nun brannte das Feuer mit hohen, senkrecht lodernden Flammen. Weitere Autos kamen. Leute stiegen aus, ließen die Wagentüren offen stehen, zogen die Jacken enger um den Körper und näherten sich langsam dem Brand. Darunter war auch mein Vater. Ich habe es vor mir gesehen, wie er in seinem blauen Datsun ankam, wie er ein Stück entfernt bremste und genau wie die anderen ausstieg, aber ich habe nie sein Gesicht richtig vor mir gesehen. Er war dort, ich weiß, dass er in dieser Nacht vor

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