Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
wenigstens anständig für diesen Service.«
Die Wände des Hotels waren dünn wie Papier, aber Martin hatte den Verdacht, dass die beiden insgeheim froh über das sichere Gefühl waren, in dieser gesetzesfreien Stadt einen Kollegen zum Nachbarn zu haben. Er selbst wohnte einige Stockwerke tiefer, eingeklemmt zwischen einem alkoholsüchtigen deutschen Journalisten und einer finnischen UN -Mitarbeiterin, die ihre Abende damit zubrachte, auf einer instabilen Skype-Verbindung mit ihrem Freund zu streiten.
Bente stand auf und legte Martin beruhigend die Hand auf die Schulter, doch er konnte ihre mütterliche Geste in diesem Moment nicht ertragen und ging zu seinem Ausguckposten am Fenster zurück.
»Aber wir sitzen hier ohnehin nur und machen nichts und können noch nicht mal mit der Außenwelt in Kontakt treten«, erklärte er. »Das Internet funktioniert ja auch nicht, wenn der Generator nicht läuft. Oder die Telefone. Dann könnte ich diesen alten Säufer wenigstens anrufen!«
Bente blieb mit einem verlorenen Gesichtsausdruck mitten im Raum stehen, und Martin empfand für einen kurzen Moment Mitleid mit seiner älteren Kollegin. Es war nicht fair, alles an ihr auszulassen, nur weil sie gerade da war. Immerhin war sie die Einzige gewesen, die vorgeschlagen hatte, einfach den Mund zu halten über das, was sie herausgefunden hatten. Vor allem, nachdem ihr erster Versuch sich als Sackgasse erwiesen hatte. Bente hatte sich an einen Bekannten aus alten Tagen gewandt, der irgendetwas mit dem Militärischen Abschirmdienst zu tun hatte. Ein alter Schulkamerad aus ihrer Zeit an der Sorø Kathedralschule, der neben seiner Tätigkeit als Anwalt auch als Reserveoffizier und Informant für den Abschirmdienst arbeitete. Bente hatte ihm eine Mail geschickt und ihn um Rat gefragt, was sie mit ihrem Wissen anfangen sollten. Einige Tage später hatte er sie angerufen und das Ganze als etwas Unwichtiges abgetan, das sie einfach vergessen sollte.
Als sie den anderen davon erzählt hatte, protestierte Ansgar natürlich.
»Das ist doch nur die übliche Konspiration!«
»Wie meinst du das?«, fragte Bente.
Ansgar hatte sie mit besserwisserischer Miene angesehen.
»Das haben sie schon mal gemacht«, sagte er. »Kannst du dich nicht daran erinnern? Anfang der 1980 er, als es ein Waffenembargo gegen das Apartheid-Regime gab, wurde aufgedeckt, dass mehrere dänische Reedereien tonnenweise Waffen nach Südafrika transportiert hatten. Und niemand hielt sie dabei auf. Stattdessen setzten die Politiker alles daran, die polizeiliche Ermittlung in diesem Fall so schnell wie möglich einzustellen.«
»Meinst du, dass auch in unserem Fall niemand etwas unternehmen will?«
Ansgar zuckte mit den Schultern.
»So klingt es jedenfalls, oder? Womit hattest du eigentlich gerechnet? Kein Gesetz verbietet es, Waffen nach Dschibuti zu verschieben, obwohl alle wissen, dass es die neue Schmugglerroute nach Somalia ist. Glaub mir, die dänischen Behörden unterbinden den Handel nur deshalb nicht, weil sie keine Fragen stellen wollen, die unangenehme Wahrheiten zutage fördern würden. Waschechte Heuchlerei.«
An dieser Stelle hatte Martin zusätzlich zur schlechten Stimmung beigetragen.
»Glaubst du nicht, dass er deine Anfrage melden wird?«, hatte er gefragt. »Dieser Kontakt von dir. Die registrieren doch sicher alles.«
Dem hatte Ansgar widersprochen, aber Martin hatte gesehen, dass Bente sich nicht ganz so sicher war. Das Ganze hatte in einer erregten Diskussion auf Ansgars Zimmer geendet. Bente hatte sie am Ende geradezu angefleht, jetzt die Notbremse zu ziehen.
»Warum könnt ihr nicht einfach vergessen, was ich euch erzählt habe, damit wir weiterkommen und hier in Ruhe unsere Arbeit erledigen können?«
Martin hatte ihre plötzliche Angst damals nicht verstanden und wohl gedacht, dass sie nur eine nervöse Frau in den Wechseljahren war, der man ein wenig auf die Sprünge helfen musste, damit sie die richtige Entscheidung traf. Er selbst war von einem plötzlichen Gerechtigkeitsgefühl ergriffen worden und hatte die Nachricht vom Abschirmdienst fast als Zeichen dafür gesehen, dass sie etwas Wichtigem auf der Spur waren, das sie nicht einfach ignorieren konnten.
Jetzt war er davon nicht mehr ganz so überzeugt.
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U rsprünglich hatte Thor nicht geglaubt, dass die Arbeit des Telecenters sie weiterbringen würde. Nach Anisas Überfall auf Linnea und der Entdeckung ihres Verstecks hatte er Martinsen ständig auf der Pelle gehangen. Aber es
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