Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Handy in ihrer Wohnung geortet worden war, aber nichts darauf hingedeutet habe, dass sie erst kürzlich dort gewesen sei. Doch wenn sie ihn richtig verstanden hatte, waren die Handysignale gar nicht so genau. Das Handy hatte einen Ausschlag in diesem Gebiet angezeigt, was aber nicht ausschließlich die Wohnung einbeziehen musste. Es konnte sich überall in dem Gebäude oder der näheren Umgebung befinden – beispielsweise auch in diesem Kellerraum. Die Idee hatte so raffiniert gewirkt: sich an einem Ort zu verstecken, von dem niemand denken würde, dass man sich dort versteckte, nämlich in der eigenen Wohnung. Allerdings nicht genau dort, sondern im dazugehörigen Kellerraum.
»So viel zu meinen guten Ideen«, murmelte Linnea.
Doch anstatt wieder in die Wohnung zurückzukehren, ging sie auf der Hintertreppe an der Küchentür von Anisas Wohnung vorbei und weiter hinauf. An dem Bund, den sie neben dem Stromzähler gefunden hatte, hingen drei Schlüssel. Einer von Ruko, der vermutlich zur Eingangstür gehörte, ein kleinerer, mit dem sie soeben das Hängeschloss im Keller geöffnet hatte, und dann ein weiterer Schlüssel vom selben Typ. Gab es auch einen Dachboden? Jetzt, wo sie schon mal da war, konnte sie genauso gut gleich nachsehen.
Weiter oben funktionierte auch das Licht wieder, und Linnea nahm die letzten beiden Treppen im Laufschritt, ehe sie an der Dachbodentür ankam. Der Eingangsschlüssel passte auch hier, und sie schloss auf, doch dann ließ etwas sie innehalten.
Einen Moment lang lauschte sie konzentriert, überzeugte sich dann jedoch davon, dass die einzigen Geräusche, die sie hörte, von ihr selbst stammten. Sie ging weiter einen kleinen Gang entlang, wo eine Reihe von Türen lag, die alle mit einem Hängeschloss verriegelt waren. Schmale Dachbodenräume, die zu den einzelnen Wohnungen gehörten. Zum Glück zeigten handgeschriebene Zettel an, welcher Verschlag zu welcher Wohnung gehörte, und sie gelangte schnell zu jenem Ende, wo linker Hand Anisas Raum lag.
Sie zog an der Tür. Das Schloss war in die Öse eingehängt, aber geöffnet. Sie nahm es ab und schob die Tür auf. An der schrägen Wand gegenüber gab es ein kleines, schmutziges Fenster, doch der Raum war leer. Sie ließ den Schein der Taschenlampe über die Holzplanken streifen. Nichts als eine leere Coladose an der einen Wand. Sie versuchte anhand der Dreck- und Staubansammlungen auf dem Boden zu erkennen, ob die Dose erst vor kurzem hier abgestellt worden war, gab es bald darauf jedoch auf, etwas aus dem Muster abzulesen. Dann schloss sie die Tür hinter sich.
Sie ging den Gang entlang zurück, während sie in ihren Taschen wühlte und den Blackberry herausholte, um ihre Mails zu lesen. Noch hatte Irmelin vom Institut für Forensiche Genetik nicht geantwortet, aber das hätte auch alle Erwartungen übertroffen. Sie stellte die Lautstärke höher, um sicherzugehen, dass sie keine eingehende Nachricht verpasste. Irmelin hatte früher am Tag eine SMS geschrieben, dass sie die Unterlagen des Falls aus dem Jahr 1986 besorgt hatte, den sie sich in Linneas Auftrag ansehen sollte, und versuchen würde, davon ausgehend ein DNA -Profil zu erstellen. Seither hatte Linnea jede halbe Stunde ihr Handy kontrolliert, was natürlich lächerlich war, denn innerhalb so kurzer Zeit konnte sie auf keinen Fall ein Profil erstellen und es abgleichen.
Plötzlich bemerkte sie, dass sie etwas übersehen hatte. In einem Winkel, den sie erst jetzt wahrnahm, als sie von der anderen Seite kam, stand eine Tür halb offen. Sie schob sie auf. Anstelle eines weiteren Trockenbodens, mit dem sie gerechnet hätte, lag dahinter eine schmale Treppe. Sie warf einen Blick hinauf. Die kurze Treppe führte direkt zu dem eigentlichen Dachstuhl.
Zögernd betrat sie die Treppe. Mitten im Raum ragte ein Schornstein hervor, aber die Kälte war trotzdem schneidend. Sie nahm eine weitere Stufe, konnte sich jedoch aus irgendeinem Grund nicht überwinden, weiterzugehen. Noch immer hörte sie nichts als ihre eigenen Schritte und ihren schweren Atem, und dennoch spürte sie plötzlich sehr deutlich die Anwesenheit einer anderen Person.
»Anisa?«, fragte sie. »Bist du das?«
*
»Wir sollten ihn sofort mitnehmen.«
Thor musste über Kraus’ Eifer lachen. Der Kommissar hatte ihn mitten aus seinen Grübeleien wegen der gestohlenen Pistole gerissen. In einem verzweifelten Moment hatte er überlegt, irgendein dubioses Subjekt aufzusuchen und es zu zwingen, ihm eine Heckler & Koch
Weitere Kostenlose Bücher