Habitat C (German Edition)
Kapitel 1
»Das ist doch krank!«
»Ja, es gibt Leute, die Ihnen da zustimmen würden.«
Daxxel betrachtete Zant mit einem amüsierten Lächeln. Die Frau zeigte einen Gesichtsausdruck, der gleichzeitig Faszination wie Ekel ausdrückte. Es war eine Kombination, wie er sie nicht oft sah. Dennoch war Zant nicht die Einzige, die so durch die Scheibe auf die Station hinabblickte. Auch andere Reisende, die zum ersten Mal hierher kamen, zeigten eine ähnliche Reaktion.
Und das war durchaus üblich.
Habitat Central machte auf den ersten Besucher immer diesen Eindruck. Xenopsychologen hatten sogar Untersuchungen darüber angestellt, da es offensichtlich völlig unerheblich war, aus welchem Volk der Betrachter stammte. Ob Mensch, Meraner, Turulianer oder sonst eine Spezies – alle empfanden beim Anblick der monströsen Raumstation auf die eine oder andere Art Widerwillen, manche fühlten sich angeekelt, andere klagten zumindest über eine grobe Verletzung ihrer ästhetischen Maßstäbe, und das ganz unabhängig davon, wie diese eigentlich aussahen.
Daxxel hatte sich daran gewöhnt. Dies war sein dritter Besuch auf Central, und das war für jemanden, der im Diplomatischen Dienst arbeitete, sogar relativ wenig. Central war der Sitz des Konzils der Galaktischen Akte, des Gremiums, das einem pangalaktischen Parlament am nächsten kam. Auf dem gigantischen Überbleibsel der vor Jahrtausenden ausgestorbenen – oder schlicht verschwundenen, so genau wusste das keiner – Niib versammelten sich in permanenter Tagung über 8000 Delegierte der in der Akte zusammengeschlossenen Zivilisationen. Es war neben dem viele Lichtjahre entfernten Präsidialamt und den daran angeschlossenen Ministerien der zweite Machtschwerpunkt der Akte. Hier wurden Grundsatzentscheidungen gefällt, hier wurde das Budget gebilligt oder abgelehnt, das Präsidentin Carol Myas vorlegte, und hier wurden die Konflikte ausgetragen, die es bei über 260 unterschiedlichen Spezies mit ihren jeweils sehr eigenen Traditionen und Ansichten unweigerlich geben musste. Die Menschen, inklusive ihrer zahllosen Kolonialwelten, hatten hier die Dominanz, aber sie hatten niemals die Mehrheit. Eigentlich gab es nie eine richtige Mehrheit.
Innen war das gigantische Konstrukt ganz erträglich.
Von außen war Central schlicht entsetzlich hässlich.
»Was waren das für Leute, die so etwas konstruiert haben?«, stellte Zant die unausweichliche erste Frage. Niib-Forschung war eine Spezialrichtung der Archäologie, die relativ wenige Anhänger hatte. Dies hing damit zusammen, dass dieser Forschungszweig seit Jahrhunderten in einer Sackgasse steckte und außer farbenfrohen Spekulationen besonders fantasiereicher Experten nicht allzu viel Sinnvolles mehr hervorbrachte. Was man über diese rätselhaften Erbauer in Erfahrung gebracht hatte, war allerdings wenig schmeichelhaft. Alles in allem schien der Charakter der Niib in etwa so widerlich gewesen zu sein wie ihre architektonischen Vorlieben. Niemand vermisste sie.
Daxxel machte einen Schritt vom Panoramafenster des Passagierraumschiffes zurück, griff zur Seite und ein Serviceroboter schob ihm eine Tasse Tee in die Hand, angenehm temperiert, mit einem winzigen Schuss Milch. Die Reise hatte einige Tage gedauert, ausreichend Gelegenheit für die Service-KI, die Vorlieben der Passagiere zu bemerken und entsprechend zu agieren.
»Die Niib also«, beantwortete er dann Zants Frage. »Sie sind schon lange verschwunden und niemand weiß, wohin und warum genau. Was sie zurückgelassen haben, sind 127 Habitate, die um meist nicht bewohnbare Planeten kreisen, und eines schöner als das andere. Etwa drei Viertel sind so heruntergekommen, dass sie bestenfalls von archäologischem Interesse sind, und selbst das ist weitgehend erloschen, da man einfach zu keinen neuen Erkenntnissen mehr kommt. Der Rest wurde von den Bodaren instand gehalten und so werden diese Stationen noch benutzt, denn sie sind groß und liegen günstig. Die meisten befinden sich im Gebiet der Akte. Drei im Meranischen Kalifat. Man hört, dass die Meraner sie auch selten hässlich finden.«
»Bodaren?«, kam die unausweichliche zweite Frage.
»Sie werden sie kennenlernen. Dann wird Ihnen auch klar, warum den Niib niemand nachtrauert, falls Sie die Geschichte nicht ohnehin gehört haben.«
»Ich weiß, dass es widerliche Existenzen waren, so weit habe ich aufgepasst. Aber warum …«
»… benutzen wir dann ihre Habitate?«, vervollständigte Daxxel die
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