Bewahre meinen Traum
seltsamen Effekt auf Nina hatte. „Tut mir leid, ich wollte dich damit nicht belästigen.“
Sie räusperte sich. „Was hast du gemacht, als Max geboren wurde? Du warst doch bestimmt bei der Geburt dabei.“
„Ja, aber das hier ist anders. Es geht um meine Tochter. Ich fühle mich schrecklich schuldig, weißt du? Ich bin derjenige, der ihr erlaubt hat, dieses Wochenende auf Long Island zu verbringen …“
„Oh, nein“, sagte sie. „Diese Litanei kommt nicht infrage. Es ist niemandes Schuld. Du kannst dich kasteien, soviel du willst, aber jeder weiß, dass es nur wenige Dinge gibt, die so mächtig sind wie der Sexualtrieb von Teenagern. Kein Highschoolmädchen bittet darum, schwanger zu werden. Also hör auf, dir die Schuld zu geben.“
„Ich dachte, das hätte ich bereits, aber ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll, außer dass ich sie liebe und nur das Beste für sie will.“
„Hast du ihr das gesagt?“, wollte Nina wissen.
„Ja, natürlich.“
„Ich meine, hast du es ihr so gesagt, als würdest du es auch so meinen, oder hast du es nur dahingesagt.“
„Natürlich meine ich es so.“
„Aber du hast eine andere Vorstellung davon, wie sie das alles handhaben soll.“ Sie erinnerte sich daran, wie ihre Familie reagiert hatte – verletzt und verängstigt und verärgert und so tief enttäuscht von ihr. Und sie erinnerte sich an ihre eigene Reaktion, die feste Entschlossenheit, es sich und allen zu beweisen. Sie hatte keine Zweifel, dass es Gregs Tochter gerade genauso ging. „Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber Daisy wird die Sache auf ihre Art regeln. Vielleicht wird sie alleine leben wollen und …“
„Sie geht nirgendwohin.“
„Tja, Greg, rate mal. Das hast nicht du zu entscheiden. Jedes einzelne Mitglied meiner Familie hat mir helfen wollen. Ich hatte die Möglichkeit, auf dem Autohof meines Bruders zu arbeiten, als Lehrerassistentin für meinen Vater, im Salon meiner Schwester … Ich war so dankbar, dass sie sich um mich sorgten, aber am Ende musste ich meinen eigenen Weg finden. Und Daisy wird es genauso gehen.“
„Sie liebt das Inn.“
„Sie liebt dich“, korrigierte Nina ihn. „Sei aber bitte nicht überrascht, wenn sie dir sagt, dass sie ihr eigenes Leben finden muss.“
„Was meinst du damit, ihr eigenes Leben finden? Sie bleibt, wo sie ist.“
„Will sie das auch?“
„Natürlich will sie das.“
„Hast du sie gefragt?“
„Das muss ich sie nicht fragen. Ich weiß, was das Beste für Daisy ist.“
„Wenn du meinst.“ Nina wollte das Thema gerne fallen lassen. Erstens ging es sie nichts an, und sie fühlte sich auch nicht wohl in der Rolle als Gregs Berater, wenn es um seine Tochter ging. Und zweitens wusste sie, dass er vor etwas die Augen verschloss. Daisy wollte weder ihr Leben noch die nächsten ein oder zwei Jahre damit verbringen, im Inn am Willow Lake zu arbeiten. Doch das würde Nina Greg nicht sagen. Das war nicht ihr Thema, und sie wollte auch nicht, dass es zu ihrem wurde.
„Für mich ist Daisy immer noch das kleine Kind“, gestand er. „Ich sehe sie noch vor mir mit ihren Zöpfen, dem Springseil oder wie sie mir einen lockeren Zahn zeigt. Ihre ganze Kindheit ist in Lichtgeschwindigkeit an mir vorbeigerast, und plötzlich bekommt sie selber ein Kind. Ich bin aber noch nicht bereit, sie nicht mehr mein Kind sein zu lassen.“
Auch wenn sie seinen Schmerz nachempfinden konnte, wusste Nina, dass das keine Hilfe für ihn wäre. „Sie wird nie aufhören, dein Kind zu sein“, sagte sie und dachte an ihren eigenen Vater. „Als ich Pop erzählt habe, dass ich schwanger bin, hat er das ganze Spektrum emotionaler Reaktionen durchgemacht – Schock, Wut, Trauer, Enttäuschung …“ Sogar jetzt noch konnte Nina ein Echo der Traurigkeit in ihrem Körper spüren. „Die Enttäuschung war für mich am schlimmsten. Ich erinnere mich, gedacht zu haben, ich hätte alles ruiniert, dass die Beziehung zwischen Pop und mir nie wieder die gleiche sein würde.“
„Toll“, sagte er.
Nina atmete tief ein. „Nein, hör mir weiter zu. Ich weiß, ich sollte dir erzählen, dass alles gut wird, aber ehrlich gesagt wird es genügend Situationen geben, in denen eben nicht alles gut ist. Es werden Zeiten kommen, in denen Daisy zusammenbrechen wird und das Baby nicht aufhören wird zu schreien, und alles wird so weit weg sein von gut, dass du vermutlich deinen Kopf gegen die Wand schlagen willst.“
Er wollte etwas sagen, aber sie hob eine Hand, um ihn
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