Bewahre meinen Traum
wolle, müsste sie eine Entscheidung treffen, der sie sich nicht stellen wollte.
Es sollte Grenzen zwischen ihnen geben, die das Private vom Geschäftlichen trennten. Und doch wurde sie immer wieder an den Rand gelockt, und zwar nicht nur von Greg. Sie fühlte sich auch zu den Kindern hingezogen – dem seelenvollen Max und zu Daisy, die sich gerade in einem verletzlichen Stadium befand, das Nina nur zu gut nachempfinden konnte. Hatte sie mit ihrem Gespräch mit Daisy die Grenze überschritten? Sie wusste es nicht. Daisy hatte mit ihr gesprochen, und Nina hatte zugehört. Und ja, sie konnte nicht anders – manchmal machte sie auch einen Kommentar oder gab einen Rat. Das lag einfach in ihrer Natur.
Auch später noch, als sie und Greg sich im Dachboden des Inn an die Arbeit machten, herrschte eine merkwürdige Stimmung. Den Dachboden aufzuräumen war eine Arbeit, die sich schon mehrere Tage hinzog. Der labyrinthähnliche Lagerraum steckte voller Kram, der vermutlich seit Jahren nicht mehr angerührt worden war. Sie hatten sich durch kaputte Möbel, angeschimmelte Bücher, rostiges Werkzeug, verlassenes Spielzeug und von Spinnen okkupierte Tischwäsche gekämpft. Die meisten Sachen gingen direkt in den Müll, aber ab und zu fanden sie einen kleinen Schatz, wie eine Noppenvase oder ein Tablett mit Bauernmalerei.
Greg hatte den tollen Anzug und das gut sitzende Hemd gegen Arbeitskleidung getauscht. Was gut war, entschied Nina. In den offensichtlich maßgeschneiderten Sachen sah er viel zu exotisch und unglaublich attraktiv aus. In der gewöhnlicheren Cargohose und dem T-Shirt war er … nun ja, immer noch attraktiv, aber nicht mehr so Furcht einflößend. „Kunst oder Krempel?“, fragte er sie und hielt ihr einen mottenzerfressenen Lampenschirm hin.
„Krempel“, sagte sie. „Je mehr wir hier entdecken, desto hemmungsloser werde ich, was ausmisten angeht.“
„Ich auch.“ Er legte das Stück auf den Müllhaufen. „Und das hier?“
„Was ist das?“
„Ich bin mir nicht sicher.“ Er drehte es in der Hand hin und her. „Es könnte ein Schleifstein sein. Er lag in einer Kiste mit … wow.“ Er beugte sich vor und kam mit einer langen, rostigen Klinge wieder hoch. „Guck dir das mal an.“
„Sehr Fluch der Karibik -mäßig“, bemerkte sie.
„Das ist eine Machete“, erklärte er. „Da gibt es auch noch eine Axt und … uih. Ich glaube, ich habe die Waffenkammer der Familie gefunden.“ Er wedelte eine Staubwolke aus seinem Gesicht und hob den Deckel von einer weiteren Kiste. „Das hier sind alte Schwarzpulverwaffen und Zubehör. Die behalten wir auf jeden Fall.“
„Ganz meine Meinung“, sagte Nina.
„Freut mich, dass wir da einer Meinung sind.“ Vorsichtig legte er die Machete und Waffen zurück in die Kiste.
Er schien nicht zu bemerken, dass sie das scherzhaft gesagt hatte. Sie wandte sich einer Kiste mit Büchern zu. Die antiken Folianten würden sich gut in den Gästezimmern und der Bibliothek machen. Sie las die kuriosen Titel laut vor: „‚Hunde und alles, was man über sie wissen muss‘, ‚Der Landjunker für den Nachttisch‘, ‚Der Begleiter für die gute Haushälterin‘ … ah, ‚Ehehygiene‘. Faszinierend.“
„Das kommt nicht in ein Gästezimmer“, sagte Greg.
„Wie, wir wollen nicht, dass die Ehen unserer Gäste hygienisch sind?“
„Wir wollen nicht, dass sie an so etwas denken“, sagte er.
Ein altes Foto fiel aus dem Hundebuch. Es trug kein Datum, schien aber in den 1920er aufgenommen worden zu sein, wenn man die Kleidung der abgebildeten Personen betrachtete. Es schien sich um eine Familie mit drei Labrador-Retrievern zu handeln. Die Menschen posierten sehr steif, nur der mittlere Hund hatte seinen Kopf bewegt und damit einen verwischten Fleck in der Mitte des Fotos verursacht. Diese kleine Unvollkommenheit machte das Foto irgendwie menschlich. Sie reichte es Greg. „Sieh dir das mal an. Geister auf dem Dachboden.“
Er bewunderte das Bild und legte es auf den „Behalten“-Stapel. „Hast du Angst vor Geistern?“
„Nein. Vielleicht wäre ein kleiner Hinweis, dass das Inn heimgesucht wird, nicht schlecht fürs Geschäft? Dieser Ort hat eine Geschichte, und ich bin froh, dass er nicht Apartmenthäusern oder so weichen muss.“ Die Worte purzelten einfach so heraus. Schnell senkte sie den Kopf, ihr sentimentaler Ausbruch war ihr irgendwie peinlich.
„So etwas würde ich nie tun“, sagte er.
Sie stellte das Buch über Ehehygiene beiseite. „Wenn es dir
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