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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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Winkelbeschleunigung. Die paarige Kombination zweidimensionaler Goniometer kann bei Kugelgelenken dreidimensionale Winkelveränderungen erfassen. Grundsätzliche methodische Schwierigkeiten bereitet die Gelenkwinkelmessung bei rotatorischen und mehrgelenkigen Bewegungen (z. B. Schultergelenk).
    Zur direkten Zeitmessung eignen sich Stoppuhren, Kontaktschalter, Kontaktmatten, Licht- oder Ultraschallschranken (berührungslose Schalter). Die direkte Bestimmung des Beschleunigungszeitverlaufs eines Körpers erfolgt mittels piezoelektrischer oder kapazitativer Beschleunigungsaufnehmer. Bei den weit verbreiteten piezoelektrischen Beschleunigungsaufnehmern übt ein seismisches, in eine Koordinatenrichtung frei bewegliches Massestück bei seiner Beschleunigung, bedingt durch die Massenträgheit, eine mechanische Druckkraft auf die Grenzflächen eines Piezokristalls (Siliziumdioxide) aus. Die Deformation des Kristallgitters führt zu einer proportionalen elektrischen Oberflächenladungsverschiebung, die in eine elektrische Spannungsveränderung umgewandelt wird.
    Über die Trägheit ( F = m • a ) und die bekannte seismische Masse m kann auf die wirkende Beschleunigung in kurzzeitigen Bewegungssequenzen zurückgeschlossen werden. Der Handel bietet ein- und zweiaxiale Beschleunigungsaufnehmer mit unterschiedlichen Messbereichen an (Empfindlichkeit: ±2 g bis ±100 g). Zu den Anwendungsfeldern der direkten Beschleunigungsmessung zählen die Analyse des Beschleunigungsverlaufs einzelner Körperpunkte (Hand des Speerwerfers, Fuß des Fußballspielers usw.) oder verschiedener Sportgeräte (Gewichtshantel, Rennrodel, Ruderboot, Tennisschläger usw.).
    Für die indirekte Zeit- und Ortsmessung vertraut die sportbezogene Bewegungswissenschaft auf Grund der unproblematischen computergestützten Datenanalyse und der guten Anschaulichkeit der Messdaten nahezu ausschließlich der Hochfrequenzvideometrie. Die klassische Momentaufnahme (Einzelbilder, Bildserien in Zeitlupe/Zeitraffer usw.), die Lichtspuraufnahme (am Sportler oder Sportgerät befestigte pulsierende Lichter oder infrarot emittierende Dioden) oder die Stroboskopie (Mehrfachbelichtung des Filmmaterials) setzen Bewegungswissenschaftler nur noch zu Lehr- und Unterrichtszwecken ein (Überblick: W ILLIMCZIK , 1989, 1999).
    Die bis Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts favorisierte zweidimensionale Hochfrequenz-Videobildanalyse (Zwei-D-Analyse) basiert auf der Registrierung der Bewegung mittels einer Hochfrequenzvideokamera. Nach heutigem Wissensstand stellt die Zweidimensionalität eines Körpers eine enorme Vereinfachung der Realität dar, da die Zwei-D-Analyse keine Drehungen der Körperextremitäten oder des Gesamtkörpers um die Längsachse berücksichtigt. Die dreidimensionale Videobildanalyse (Drei-D-Analyse) mit mehr als zwei Hochfrequenzvideokameras ( vgl. Abb. 75 ) vermeidet die Verdeckung der interessierenden Körperpunkte, da diese während der Bewegungsausführung ständig von mindestens zwei Kameras erfasst werden. Als weitere Vorteile der Drei-D-Analyse gelten neben der exakten räumlichen Darstellung sportmotorischer Handlungen die nachträgliche Betrachtung der Bewegung aus unterschiedlichen Perspektiven und die einfache Bestimmung theoretischer Körperpunkte (z. B. Körperschwerpunkt, vgl. Kap. 3.1.2).

    Abb. 75: Ablauf einer Drei-D-Videobildanalyse (mod. nach S IMI . COM , 2004)
    Die Videobildanalyse dient der räumlichen Bestimmung der durch weiße, farbige oder reflektierende Marker gekennzeichneten Körperpunkte (z. B. Mittelpunkt der Körpergelenke). Die für sporttypische Bewegungsfertigkeiten übliche Aufnahmefrequenz liegt zwischen 100 und 300 Bilder/s. Die sehr schnellen, schlag- oder stoßartigen Bewegungstechniken im Badminton, Boxen, Fechten oder Tennis erfordern Bildfrequenzen bis 2.000 Bilder/s, um dem menschlichen Auge normalerweise nicht zugängliche Bewegungsdetails sichtbar zu machen. Die Bildschärfe der Videoaufzeichnung hängt unmittelbar von der Belichtungszeit ab. Je kürzer die Belichtungsdauer, desto schärfer werden die Videobilder aufgezeichnet. Hierbei ist zu beachten, dass kurze Belichtungszeiten eine ausreichend große Beleuchtung erfordern.
    Die Hochfrequenzvideometrie ermittelt die Ortsmerkmale nicht unmittelbar am Objekt (Athlet, Sportgerät usw.), sondern über das auf dem Videomaterial fixierte Modell. Zur Berechnung der realen Ortskennwerte werden die markierten Körperpunkte am Modell als Koordinatenpunkte für jedes

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