Bewegungswissenschaft
Merkmalen rotatorischer Bewegungen zählen Körpergelenkwinkel, Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung. Der Körpergelenkwinkel φ (phys. Einheit: °) stellt den Winkel zwischen zwei, im selben Punkt ansetzende Schenkeln dar. Die gerichtete Winkelgeschwindigkeit beschreibt die Winkelveränderung in der Zeit (= Δ/ Δ t; phys. Einheit: °/s). Die gerichtete Winkelbeschleunigung bezeichnet das Verhältnis der Veränderung der Winkelgeschwindigkeit und der hierfür benötigten Zeit (= Δ/ Δ t; phys. Einheit: °/s 2 ).
Der zeitliche Verlauf motorischer Fertigkeiten grenzt gleichförmige Bewegungen (konstante Geschwindigkeit) und ungleichförmige Bewegungen (veränderliche Geschwindigkeitscharakteristik) voneinander ab. Letztere lassen sich nach g leichmäßig beschleunigten und ungleichmäßig beschleunigten Bewegungen differenzieren. Sportmotorische Handlungen zeigen in der Regel eine Überlagerung der verschiedenen Bewegungsformen.
Abb. 74: Überlagerung von Translation und Rotation beim zweieinhalbfachen Salto im Wasserspringen (mod. nach H OCHMUTH , 1982, S. 17)
Wer tiefere Einblicke in die Biomechanik des Sports gewinnen möchte, findet bei B ALLREICH und B AUMANN (1996) oder S CHEWE (2000) hilfreiche Informationen. Leicht verständlich behandeln alltägliche und sporttypische Beispiele sowohl die biomechanischen Grundlagen, Messgrößen und Messverfahren als auch die biomechanische Modellierung sportmotorischer Techniken ( vgl. Lektion 12 ) und mechanischer Belastungen des menschlichen Organismus.
3.1.1 Welche kinemetrischen Messverfahren verwendet die Bewegungswissenschaft des Sports?
Kinemetrische Messverfahren zur Ermittlung von Wegstrecken, Körpergelenkwinkeln, Zeiten, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen eignen sich auf Grund der Rückwirkungsfreiheit (berührungslos) und der schnellen Verfügbarkeit der Messdaten für direkte Rückmeldungen objektiver Informationen über die Bewegungsausführung. Die Einteilung der kinemetrischen Untersuchungsverfahren erfolgt im vorliegenden Lehrbuch nach der Art der zu erhebenden räumlichen und zeitlichen Bewegungsmerkmale: direkte und indirekte Verfahren der Orts-, Körperwinkel- und Zeitmessung.
Eine andere übliche Systematisierung der kinemetrischen Messverfahren – die hier nicht weiter besprochen wird – erfolgt nach dem Messprinzip. Voneinander abgegrenzt werden mechanische Erhebungsverfahren (Zeit: Stoppuhr; Strecke: Maßband), optische Messmethoden (Film-, Videoanalyse usw.) und elektrische Untersuchungsverfahren (Umwandlung mechanischer Größen in elektrische Größen; Überblick: R OTH & S AHRE , 1990).
Die direkte Ortsmessung vermittelt einen kurzfristigen Eindruck über die aktuelle Bewegungsausführung. Bewährt hat sich in den leichtathletischen Disziplinen die Abstandsmessung mittels einfacher mechanischer Messvorrichtungen für die Bestimmung der Schrittlänge oder der Fußstellung (Metermaß, Bodenmedien, Hartfolien usw.). Direkte Ortsmessungen werden in wissenschaftlichen Untersuchungen nur noch selten eingesetzt, da die Hochfrequenzvideometrie exaktere Abstandsmessungen ermöglicht (vgl. indirekte Orts-, Zeitmessung).
Für die direkte Bestimmung der Körpergelenkwinkel (Goniometrie), d. h. der Lagebeziehung zwischen benachbarten Körperteilen, stehen zweidimensionale manuelle Winkelmesser und Drehpotentiometer (Goniometer) zur Verfügung. Hierbei werden zwei mit einer Drehachse verbundene Schenkel parallel zu den beiden Gliederlängsachsen des betrachteten Scharniergelenks (Ober- und Unterarm, Ober- und Unterschenkel usw.) mit einem medizinischen Klebeband oder Gummilochband fixiert. Der messmethodische Hauptnachteil betrifft die mangelnde Übereinstimmung des Scheitelpunkts des Goniometers und des Gelenkmittelpunkts während der Bewegungsausführung.
Seit einigen Jahren ermöglichen zweidimensionale
elektronische Goniometer (z. B. Penny & Giles ® ) zuverlässige Messungen der Gelenkwinkel, da die Gelenkmittelpunkte nicht als direkte Bezugsgrößen der Winkelmessung dienen. Die beiden starren, durch ein flexibles Verbindungsstück verbundenen Elektrogoniometerteile müssen lediglich exakt in der Längsachsenrichtung der Körpergliedmaßen liegen. Die eigentliche Winkelmessung basiert auf der Biegung des flexiblen Verbindungsstücks zwischen den beiden starren Goniometerteilen, die zu einer elektrischen Spannungsveränderung führt. Neben der Gelenkstellung erfassen elektronische Goniometer die Winkelgeschwindigkeit und die
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