Bewegungswissenschaft
korrelationsstatistisch identifizierten Einflussfaktoren nach dem Ausmaß ihrer Gemeinsamkeiten in möglichst wenige Gruppen zusammengehöriger Variablen (Minimumprinzip). Als bedeutsam für das Modell gelten Variablen, die eine hohe Faktorladung hinsichtlich des Zielfaktors (z. B. sportmotorische Leistung) aufweisen und voneinander unabhängig sind (Unabhängigkeitsprinzip).
Das empirisch-statistische Modellkonzept zum Weitsprung von B ALLREICH (1989, 1996) stellt ein anwendungsbezogenes Beispiel zur Bestimmung der Einflusshöhe bedeutsamer biomechanischer Bewegungsmerkmale auf die Weitsprungleistung dar (z. B. vertikale und horizontale Abfluggeschwindigkeit; vgl. Abb. 95 ). W ILLIMCZIK (1999, S. 68-–70) systematisiert die Arbeitsweise des Weitsprungmodells in fünf aufeinander folgende Arbeitsschritte.
Begonnen wird mit der Untergliederung der Weitsprungweite W in vier elementare Leistungsindikatoren (Teilweiten):
die Abflugweite W 1 ,
die symmetrische Flugbahnweite W 2 ,
die Landeanflugweite W 3 und
die Landepositionsweite W 4 .
Der zweite Arbeitsschritt differenziert die vier Teilweiten W 1 bis W 4 in spezielle biomechanische Einflussgrößen. „ W 1 und W 4 : Körperteilmassen m i ; Schwerpunktradien r i ; Körperteillängen l i und Positionswinkel ε i der Körperteile gegenüber einem äußeren Bezugssystem; W 2 und W 3 : Horizontale Abfluggeschwindigkeit v OX , vertikale Abfluggeschwindigkeit v OZ und Differenz zwischen Abflug- und Landehöhe des KSP (Δ z )“ (W ILLIMCZIK , 1999, S. 69).
Der dritte Schritt deckt durch einfache Korrelationsberechnungen den Zusammenhang zwischen einzelnen biomechanischen Kenngrößen und der Weitsprungleistung auf. B ALLREICH benennt als quantitative Einflussfaktoren 17 Anlaufmerkmale, drei kinematische und 10 dynamische Absprungmerkmale, sechs Flugmerkmale und ein Landemerkmal.
Abb. 95: Weitsprungweite, Teilweiten, Geschwindigkeits- und Höhenmerkmale (mod. nach B ALLREICH , 1996, S. 121)
•: Körperschwerpunkt (KSP)
v O : Abfluggeschwindigkeit in der xz-Ebene
W: Sprungweite
v OX : horizontale Abfluggeschwindigkeit
W 1 : Abflugweite
v OZ : vertikale Abfluggeschwindigkeit
W 2 : symmetrische Flugbahnweite
Δ z: Höhendifferenz zwischen Abflug- u. Landehöhe
W 3 : Landeanflugweite
h 0 : Abflughöhe
W 4 : Landepositionsweite
h 0 *: Landeanflughöhe
α 0 : Abflugwinkel
h L : Landehöhe
Der vierte Arbeitsschritt reduziert mithilfe der Faktorenanalyse die Vielzahl der Einflussfaktoren auf acht voneinander unabhängige, die Weitsprungleistung maßgeblich bestimmende Merkmalskomplexe (Schritt- und Frequenzindex, horizontales und vertikales Kraftstoßverhältnis, Landeökonomie usw.).
Der fünfte Arbeitsschritt ermittelt mittels regressionsanalytischer Verfahren die jeweilige Relation der acht Faktoren zur Weitsprungweite und die Anzahl der Merkmale, die für die hinreichende Erklärung der komplexen Weitsprungleistung notwendig erscheinen.
4.2.3 Wie wird die Gültigkeit biomechanischer Modelle geprüft?
Die Modellvalidierung prüft, inwieweit das Modell für den konstruierten Zweck aussagekräftig ist. Hierzu vergleicht der Anwender die Resultate der Modelluntersuchung mit den bekannten Eigenschaften des Modelloriginals. Eine relative Gültigkeit besteht dann, wenn die durch das Modell erzielten Ergebnisse mit einer Reihe realer Situationen übereinstimmen oder zumindest korrespondieren. Der Grad der Übereinstimmung der beobachteten Zielgrößen des Modelloriginals mit den durch das Modell berechneten Zielgrößen wird mithilfe der empirischen Gültigkeit geprüft.
Bei der direkten Modellprüfung erfolgt die Messung der Ausprägung der Modellvariablen unter verschiedenen Bedingungen. Beispielsweise wird die physiologische Zugbelastung der Bänder des Sprunggelenks unter ökologischen Bedingungen bei unterschiedlicher Dehnung des Bandgewebes ermittelt. Die indirekte Modellprüfung wird bei nicht direkt zu erhebenden Einflussfaktoren wie die Gelenkmomente im Fußgelenk eingesetzt. Für die indirekte Abschätzung der Belastbarkeit des Bandgewebes des Sprunggelenks eignet sich die mehrperspektivische Bewegungsanalyse. Hierbei werden die Bodenreaktionskräfte, die Druckverteilungen unter der Fußsohle, die Gelenkwinkel und die Elektromyogramme der bewegungsausführenden Muskeln miteinander in Beziehung gesetzt. Größere Differenzen zwischen den Resultaten der Modellierung und den Befunden der direkten oder indirekten Modellprüfung erfordern eine Überarbeitung des Modells
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