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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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E s war dunkel. Stockfinster! Kein winziger Lichtschein, kein heller Fleck in der Schwärze, die ihn umgab. Nichts! Wo, um Himmels willen, war er gelandet? Er war eingesperrt. Um ihn herum Totenstille. Kein Licht und kein Geräusch. Nur der Geruch war ihm vertraut. Allmählich begriff er, dass er in seinem Auto saß. Es roch nach Straßenschmutz, nach Leder, nach einem Reinigungsmittel und der alten Decke, die stets auf dem Rücksitz lag. Ungewaschen und verfilzt.
    Vorsichtig versuchte er sich aufzurichten. Sein ganzer Körper schmerzte, er musste schon lange in dieser unbequemen Haltung gesessen haben. Sein Kopf dröhnte, das Pochen hinter seiner Stirn schwoll an, als er versuchte, sich zu bewegen. Es ging nicht! Seinen rechten Arm konnte er ein wenig strecken und nach dem Türgriff tasten, aber der linke gehorchte ihm nicht. Er begann zu zerren, zu reißen, doch er erreichte nichts. Nur ein metallisches Klirren. Seine Hand steckte in einer Fessel. Er war am Schaltknüppel angekettet! Seine Rechte betätigte vergeblich den Türgriff. Das Auto war verschlossen.
    Er merkte, dass ihm der Schweiß ausbrach, obwohl es eiskalt im Auto war. Er trug nur einen leichten Pullover, seine Jacke musste irgendwo auf dem Rücksitz liegen. Unerreichbar! Er beugte sich vor, suchte mit der rechten Hand nach dem Zündschloss … es steckte kein Schlüssel drin.
    » Hilfe! «
    Er erschrak über seine eigene Stimme. Sie prallte von den Seitenscheiben zurück, und er wusste, dass niemand ihn hörte.
    » Ich will hier raus! «
    Er tastete nach der Hupe, obwohl er schon ahnte, dass sie nicht reagieren würde. Wütend drückte er und drückte …
    Was war geschehen? Er fühlte sich völlig benommen, konnte sich nicht erinnern, was ihm widerfahren war. Wo befand er sich? Irgendwo tief unter der Erde? Bei diesem Gedanken schoss die Verzweiflung in ihm hoch. Verschüttet?
    » Nein, nein! «
    Er hätte seinen linken Arm gegeben, wenn er dadurch freigekommen wäre. Aber … frei? Was würde ihn erwarten, wenn er sein Auto verlassen könnte? Was versteckte sich in dieser Schwärze um ihn herum? In dieser unheimlichen Lautlosigkeit? Wohin würde er treten, wenn er einen Fuß aus dem Auto setzen könnte? Ins Leere? Würde er abstürzen in eine Schlucht? Versinken im Wasser?
    » Hilfe! «
    Da hörte er etwas. Ein fernes Geräusch, das Summen eines Motors. Dann ein Rumpeln, eine Bewegung, die sich auf seinen Wagen übertrug, nur kurz, aber für einen wundervollen Augenblick der Kontakt zum Leben, zur Außenwelt.
    » Hilfe! «
    Er glaubte, einen Lichtschein zu sehen, der in sein Gefängnis drang, doch schon im nächsten Augenblick wusste er nicht mehr, ob er es sich nur eingebildet hatte. Doch! Winzige Punkte blinkten auf, rote Stiche auf schwarzem Grund. Und es gab Bewegung in der Finsternis um ihn herum! Er sah sie nicht, aber er spürte und hörte sie. Quietschendes Gestänge, leises Rumoren, nun vibrierte die Karosserie seines Autos. Ein Rasseln, ein Dröhnen, dann war es vorbei. Stille, eisige Stille war wieder dort, wo es eine kurze Hoffnung gegeben hatte. Es war so still wie in einem Grab.

D er Wind kam vom Meer. Mit spitzen, eisigen Fingern griff er nach Schals, Mützen und Handschuhen. Wer ihm begegnete, machte sich klein und bot so wenig Angriffsfläche wie möglich. Wer von ihm gejagt wurde, versuchte zu verhindern, dass er etwas an sich riss und mitnahm. Unberechenbar war er, dieser Wind. Manchmal schwieg er oder säuselte nur heuchlerisch, dann wieder griff er so unvermutet an, dass er Fußgänger und Radfahrer übertölpelte und auf einen gefährlichen Zickzackkurs zwang.
    Carlotta Capella kannte sich mittlerweile aus. Sie wusste, wie der Wind sich im Frühling gebärdete, dass er manchmal sogar im Sommer Ernst machte und jetzt, im Herbst, unerbittlich wurde. Immer, wenn sie von ihren Besuchen in Wenningstedt nach Italien zurückkehrte, erzählte sie dort von diesem Wind. Aber kaum jemand von denen, die den Wind nur als laues Lüftchen kannten, konnte sich vorstellen, wie eisig und kraftvoll er vom Meer kam und über Sylt hinwegfegte.
    Vom Süder Wung, der Straße, in der das Haus ihres Schwiegersohns stand, hatte sie sich bis zum Osterweg treiben lassen, dann bog sie links ab und konnte sich im Schutz der Bebauung vor dem Wind sicher fühlen. Im Nu war sie bei Feinkost Meyer angekommen, wo sie nach frischen Salbeiblättern fragen wollte, die für den Reis mit brauner Butter, den sie zum Abendessen servieren wollte, unerlässlich waren.

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