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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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auf.«
     
    Der ›Steinbergbauer‹, wie man den alten Hofbesitzer drüben im Nachbarort Reichenbach seit Menschengedenken nannte, war zwar schon bald achtzig, aber noch immer voller Optimismus. Er war dort oben, wo die Wiesen weit hinauf zu den bewaldeten Hängen reichten, aufgewachsen und sicher nie weiter als nach Stuttgart gekommen. Nur dass er mit seinem 300 Meter entfernten Nachbarn, dem ›Eulengreuthof-Eugen‹, seit Jahr und Tag Händel hatte, das konnte kein Mensch hier im Tal verstehen. Sie waren schon bis zum Landgericht nach Ulm gezogen, weil ihre Schimpfkanonaden letztlich in handfeste Tätlichkeiten ausgeartet waren. Von gegenseitigen Mordversuchen hatten sie auch schon dem Göppinger Amtsrichter berichtet, sich gegenseitig Teile des Traktors geklaut oder dem Vieh des jeweils anderen alle erdenklichen Krankheiten gewünscht. Längst hatte der Streit auf die übernächste Generation übergegriffen. Nun oblag es den Enkeln, auch schon knapp 30 Jahre alt, die traditionelle Fehde fortzuführen. Schon sprach man in Juristenkreisen süffisant, aber seufzend, vom ›Bauernstreit vom Eulengreuthof‹.
    Ketschmar dachte für einen kurzen Moment daran. Nie hatte er es verstanden, wie Menschen in einem solchen landschaftlichen Idyll nichts anderes zu tun hatten, als sich gegenseitig zu zerfleischen. Anstatt die schönen Seiten des Lebens zu genießen, trachteten sie über Generationen nur danach, dem einzigen Nachbarn Böses zu tun. Und letztlich konnte niemand mehr so genau sagen, was den uralten Streit ausgelöst hatte. Eulengreuthof-Eugens Urgroßvater, so hieß es, habe mal versucht, den Grenzstein zwei Meter weiter Richtung Steinberghof zu versetzen. Aber das musste fast noch im 19. Jahrhundert gewesen sein.
    Monika drückte ihrem Mann einen Kuss auf die Wange und sah so optimistisch aus, als sei für sie die Welt noch in Ordnung. »Halt dich nicht so lange auf«, bat sie im Flüsterton. Er holte sich die Eierschachteln aus dem Küchenschrank, nahm die silbern glitzernde Milchkanne und verließ die Wohnung.
    Draußen atmete er tief ein, genoss diese frische und raue Luft und stieg in seinen Golf. Der Nebel kroch über die Hänge herab. Schloss Ramsberg, das auf einem der Berge thronte, war schon nicht mehr zu sehen. Ketschmar bog in die Straße nach Reichenbach unterm Rechberg ein und schob eine CD mit verträumten Instrumentaltiteln in das Gerät. Wie schön könnte die Welt sein, wenn sich die Menschen das Leben nicht gegenseitig schwer machen würden, dachte er.
    Diesen Egoisten, diesen Ausbeutern von Mensch und Natur, galt es das Handwerk zu legen. Und dann erschrak er selbst – über diese Gedanken, die nur nach Rache sannen, obwohl er ganz anders sein wollte als diese Kerle, die über Leichen gingen.
    Der silberfarbene Golf, den er sich voriges Jahr geleistet hatte, rollte durch Reichenbach hindurch. Hinter dem Ort erstreckte sich ein weites sonniges Tal in nördliche Richtung. Es gab hier eine Vielzahl von Höfen, die sich wie Almen an die Wiesenhänge schmiegten, die erst weit oben bewaldet waren. Von dem schmalen Asphaltsträßchen zweigten nach beiden Seiten die einzelnen Zufahrten ab. Gelbe Hinweisschilder wiesen zu den einzelnen Höfen.
    Ketschmar war den Weg zum Steinberghof schon viele hundert Mal gefahren. Er wusste, wo er rechts abbiegen musste. Seit einigen Monaten wurde abseits der schmalen Zufahrt eine größere Stallanlage gebaut, von der gerade erst die Fundamente betoniert waren. Vermutlich einer dieser Schweineställe, wie sie gerade überall wie Pilze aus dem Boden schossen, dachte er und ließ seinen geübten Blick über die Baustelle schweifen. Entlang des Asphaltwegs hatte die Baufirma einen Bürocontainer und das obligatorische Klohäuschen aufgestellt. Zwischen beidem war rückwärts ein helles Auto eingeparkt.
    Ein paar Minuten und einen steilen, kurvigen Streckenabschnitt später erreichte er den Steinberghof, über dem sich die Nebelschwaden verdichteten. Das Gehöft des verhassten ›Eulengreuthofbauern‹ lag längst im Nebel.
    Ketschmar drehte zwischen dem Wohnhaus und den U-förmig angeordneten Stallungen um und parkte den Wagen in Richtung Ausfahrt, wo Stammholz zum Abtransport bereitlag.
    Als er ausstieg, schlug ihm ruppige Kühle entgegen. Hier oben war es deutlich kälter als drunten im Tal. In der feuchten Luft hing der strenge Geruch nach Mist, Kühen und Schweinen. Faro, der Schäferhund, bellte pflichtbewusst zwei-, dreimal und tippelte an der Scheunenfront

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