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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Hinterhof hatte tausend Augen, und es gab immer ein paar alte Frauen, die den ganzen Tag auf den Betonhof starrten und darauf warteten, dass irgendjemand kam oder ging, weil dies ein klein wenig Abwechslung in ihre alltägliche Tristesse brachte. Die mit Argusaugen beobachteten, wer was in die Tonne warf, und darüber wachten, dass um Gottes willen kein Joghurtbecher in den Normalmüll wanderte. Und die vor allem ihre Mitbewohner kannten. Sofort würde auffallen, dass er gar nicht im Haus wohnte.
    Und wenn er nachts hinging, machte er sich erst recht verdächtig. Er sah es förmlich vor sich, wie in fünf Fenstern das Licht anging, weil nachts der Mülltonnendeckel klappte. Am nächsten Morgen um sechs würde die erste alte Tante die Mülltonne inspizieren, um zu sehen, was der Fremde da mitten in der Nacht entsorgt hatte. Und es wäre ein besonderes Highlight in ihrem Leben, die Polizei rufen zu können.
    So ging das alles gar nicht.
    Vielleicht war es besser, die Sachen vorher in die Waschmaschine zu stecken. Dann waren die Blutspuren nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar und das ganze Paket weniger verdächtig.
    Allerdings – wie sollte er denn seine Lederjacke, die vollkommen eingesaut war, in der Waschmaschine waschen? Das funktionierte überhaupt nicht. Aber auch wenn es ihm völlig egal war, ob die Lederjacke nach dem Waschgang einem Fünfjährigen passte – über die Waschmaschine hier in der Wohnung führte Lilo das Regiment.
    Im Badezimmer stand ein großer Korb für die Schmutzwäsche. Lilo sortierte die Wäsche – ihre und Raffaels – und ließ fast jeden Tag ein Programm durchlaufen. Die saubere Wäsche bügelte sie, und Raffael bekam seine Sachen ordentlich zusammengelegt nur wenig später zurück. Lilo behauptete immer, leidenschaftlich gern und am liebsten beim Fernsehen zu bügeln, und dann sagte sie lächelnd: »Es macht mir wirklich nichts aus, Raffael. Ich hab doch sonst nichts zu tun.«
    Raffael hatte dies immer als äußerst angenehm empfunden. Lilos Wäscheengagement machte sein Junggesellen dasein wesentlich einfacher und erträglicher, zumal er auch nicht genau wusste, wie die Waschmaschine funktionierte, und die Systematik der Wäschesortiererei nie begriffen hatte. Helle Sachen sechzig Grad. T-Shirts und bunte Sachen vierzig. Okay. Aber was machte man mit hellen T-Shirts? Er besaß vielleicht fünf oder sechs davon. Sollte er sich vielleicht noch zwanzig kaufen und dann Wochen warten, um irgendwann eine Waschmaschine füllen zu können?
    Die Entscheidung, was wie gewaschen wurde, fand er zum Verzweifeln, und er war glücklich, dass sich Lilo darum kümmerte.
    Dafür schleppte er ihr die schweren Einkaufstaschen nach Hause.
    Also konnte er die Kleidungsstücke auf keinen Fall hier in seiner Wohnung waschen, und in den Waschsalon traute er sich auch nicht. Da war immer jemand, der einen beim Füllen der Maschine beobachtete.
    Er musste eine andere Lösung finden.
    Die Müllkippe war vielleicht eine Möglichkeit. Aber er hatte kein eigenes Auto, und wen sollte er bitten, ihn dahin zu fahren? Und welches Märchen sollte er erzählen, warum er gerade dort etwas entsorgen wollte?
    Das war alles Blödsinn. Er drehte die Dusche aus und trocknete sich ab. Danach putzte er sich die Zähne und säuberte akribisch seine Fingernägel. Sein Kopf schmerzte immer noch.
    Er öffnete das Schränkchen neben der Tür, ließ zwei Aspirin in ein Glas fallen, löste sie in Wasser auf und trank hastig. Er brauchte dringend einen klaren Kopf.
    Was habe ich getan?, hämmerten seine Gedanken. Welchen Weg bin ich nach Hause gegangen? Hab ich ein Taxi genom men? Hab ich vielleicht sogar den Taxifahrer umgebracht?
    Oh, mein Gott!
    Er war sich selbst unheimlich.
    Genauso vorsichtig, wie er ins Bad geschlichen war, schlich er auch wieder hinaus. Lilo war nirgends zu sehen.
    Gott sei Dank.
    In seinem Zimmer ließ er sich in seinen Sessel fallen und starrte an die gegenüberliegende Wand.
    Das Tapetenmuster – rosafarbene, ineinander verschlungene Buschwindröschen vor hellbeigem Hintergrund – verschwamm vor seinen Augen. Seine mühsam erkämpfte Sicherheit war ins Wanken geraten, er war dabei, den Halt unter den Füßen zu verlieren, und ahnte dunkel, dass er selbst daran schuld war.
    Er schaltete das Radio an. Die leise Plätschermusik im Hintergrund beruhigte ihn.
    Sein Handy klingelte. Auf dem Display sah er, dass es Frank war.
    »Leck mich am Arsch«, murmelte er und drückte das Gespräch weg. Insgesamt

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