Bezaubernde Spionin
erfüllte. »Was ist mit Ayl… mit der Herzogin?« Seine Stimme klang belegt, und er verwünschte sich dafür. Wenn es um Aylinn ging, die Liebe seines Lebens, verließen ihn seine gewohnte Selbstsicherheit und kühle Überlegenheit. Obwohl er sie jetzt seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen hatte.
»Sie wird heute ebenfalls am Hofe erscheinen«, beantwortete Sir Archibald die unausgesprochene Frage des jungen Stewart.
Sir Ruperts Herz schien einen Schlag auszusetzen, nur um dann noch heftiger gegen seine Rippen zu hämmern, und er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Aylinn! Hier? Aber wieso? Was wollte sie am Hofe? Und wer hatte sie eingeladen? Der König? Natürlich, der König. Aber warum, nach dieser langen Zeit? Seit dem Verrat und dem Tod ihres Vaters - erneut durchzuckte Sir Rupert ein schmerzhafter Stich bei diesem Gedanken - hatte sie sich auf ihr Schloss Campbell House, den Sitz der Albanys, zurückgezogen und sich vor der ganzen Welt abgeschottet. Nun, vielleicht nicht vor der ganzen Welt, jedenfalls aber vor ihm. Dem Mann, den sie, wie sie ihm in jener Nacht immer wieder ins Ohr geflüstert hatte, liebte und immer lieben würde. Ihrem ersten Liebhaber, dem Mann ihrer Träume, dem Mörder ihres Vaters.
Sir Rupert riss sich zusammen. »Also hat sie jetzt genug um ihren Vater getrauert?«, erkundigte er sich mit einer Gelassenheit, die von seiner bebenden, erstickten Stimme Lügen gestraft wurde. »Das ist gut.«
»Das ist vor allem noch nicht alles, Sir Rupert«, erwiderte Sir Archibald. »Es gibt da noch etwas, was Ihr wissen solltet, bevor Ihr Aylinn gegenübertretet.«
»Tatsächlich?« Sir Rupert sah den älteren Mann fragend an, während ihm das Blut in den Ohren rauschte. Was konnte schlimmer sein, als seiner Liebe in dem Wissen gegenübertreten zu müssen, dass sie ihn verschmähte, ja schlimmer noch, verachtete? »Und das wäre?«
Sir Archibald seufzte. »Sagte ich, dass ein Schluck Wein vor dem Frühstück reicht?«, meinte er ausweichend. »Ja, das habe ich gesagt, nicht wahr? Wohlan denn, dann würde ich, mit Eurer Erlaubnis, jetzt gern frühstücken. Wo zum Teufel versteckt Ihr Euren Whisky, Sir Rupert?«
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2. KAPITEL
V oila! Ihr seht wundervoll aus, Mylady. Wie eine Königin. Wirklich, wie eine richtige Königin.«
Aylinn warf der hübschen dunkelblonden Frau, die hinter ihr stand und sie anstrahlte, im Spiegel einen gespielt tadelnden Blick zu. »Lasst das nicht Ihre Majestät hören, Nanette. Ich glaube nicht, dass es Joan Beaufort gefällt, wenn Ihr so schwärmt. Königinnen, selbst wenn sie noch so freundlich scheinen, dulden keine Konkurrenz. Und schon gar nicht, wenn sie dabei mit der Schönheit einer anderen Frau konkurrieren muss.«
»Ah pah!« Nanette DeFleurilles machte eine wegwerfende Handbewegung und zupfte eine Schleife an Aylinns dunkelgrünem Samtkleid zurecht. »Wenn es doch wahr ist! Mein Buffon sagt immer wieder …«
»Hört auf!« Aylinn hob lachend die Hand. »Hört schon auf. Ich will gar nicht wissen, was dieser irische Dickschädel dazu zu sagen hat. Ich bin überzeugt, dass seine Worte höchst ungeeignet sind, in Gegenwart einer Dame wiederholt zu werden.« Sie zuckte zusammen, als ihr bewusst wurde, was sie da sagte. »Damit wollte ich natürlich nicht andeuten, dass Ihr keine Dame wärt, Nanette. Verzeiht, falls ich …«
Nanette DeFleurilles’ perlendes Lachen unterbrach sie. »Schon gut, Durchlaucht, Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Zudem habt Ihr ganz recht. Er ist wahrlich ein richtiges irisches Lästermaul. Wisst Ihr, was er über diese englische Teufelin gesagt hat, diese Lady Harrington?«
Aylinn war froh, dass Nanette ihr diese unbedachte Bemerkung nicht übel nahm. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, und die Worte waren ihr entschlüpft, ohne dass sie darüber nachgedacht hatte. Sie wollte Nanette nicht verärgern. Denn insgeheim war sie heilfroh über den lebhaften Tratsch der jungen Hofdame. Ihr Geplapper lenkte sie von ganz bestimmten Gedanken ab, die ihr seit Tagen und Wochen den Schlaf raubten. Aylinn warf einen kurzen Blick in den Spiegel und musterte ihre seegrünen, dunkel schimmernden Augen.
Tage und Wochen?,
dachte sie ironisch.
Sei doch wenigstens aufrichtig zu dir selbst,
schalt sie sich. Es war kein Tag in diesem letzten, schrecklichen Jahr vergangen, seit diesem furchtbaren Moment auf dem Turnierplatz, an dem sie nicht an ihn gedacht hatte, sich nicht in den Schlaf geweint hatte und nicht des
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