Bianca Arztroman Band 0011
und das Kleid ist hinreißend, aber es wird wohl niemand Notiz davon nehmen, denn alle Augen werden nur auf dich gerichtet sein, Liz.”
Sie wunderte sich, als zu dieser späten Stunde die Haustürklingel anschlug. “Wer kann das sein?”, überlegte Abbie. “Ich sehe besser nach und schicke den Besucher fort”, sagte sie.
Mit dem Glas in der Hand lief sie die Treppe hinunter, öffnete die Tür und stand Nick gegenüber.
“Es tut mir leid, wahrscheinlich bin ich zu einem falschen Zeitpunkt gekommen”, sagte er. Seine Blicke hefteten sich auf das Weinglas in Abbies Hand, und als er die Verwirrung in ihren Augen bemerkte, zog er seine Schlüsse daraus.
“Mutter hat mich gebeten, dir dieses Paket zu bringen. Es hat irgendetwas mit den Pfadfindern und ihrer Erste-Hilfe-Ausrüstung zu tun. Sie konnte leider nicht selber kommen.”
Abbie bedankte sich und wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte. War Nick etwa böse auf sie?
Er wendete den Rollstuhl und fuhr davon, drehte sich aber noch einmal um. Im Licht der Straßenlaterne wirkte sein blasses Gesicht wie aus Stein gemeißelt. “Ehe ich es vergesse”, rief er ihr zu, “danke, dass du heute so viel Mitleid mit mir gehabt hast. Es gehört sicher nicht zu deinen Pflichten, Kranke und Einsame zu unterhalten, dennoch hast du ein fein ausgeprägtes Pflichtgefühl bewiesen, Abbie. Ich will dich nicht länger aufhalten. Sicher weißt du etwas Besseres mit deinen Nächten anzufangen.”
Er warf einen Blick zu den beleuchteten Schlafzimmerfenstern hinauf, dann fuhr er los. Sprachlos sah Abbie zu, wie er sich in sein Auto setzte. Den Rollstuhl hinter einem Sitz zu verstauen, bereitete ihm offensichtlich keine große Mühe mehr. Ohne einen Blick zurück ließ er den Motor an und brauste davon.
Abbie ging wieder nach oben und überlegte, was ihn so verärgert haben könnte. Er war bester Laune gewesen, als sie ihn am Nachmittag verlassen hatte, was also hatte in den letzten Stunden einen solchen Stimmungswechsel herbeigeführt?
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Ihr erstaunter Blick, als sie die Tür öffnete, das Weinglas in ihrer Hand, das lange seidene Unterkleid, das sie noch trug, und das Licht im Schlafzimmer – alles zusammen hatte ihn auf ganz falsche Gedanken gebracht. Er dachte wohl, ein Mann wartete auf sie im Schlafzimmer in Erwartung einer leidenschaftlichen Nacht.
Abbie trank einen kräftigen Schluck Wein und fragte sich, was jetzt zu tun sei. Sollte sie ihn anrufen und die Situation erklären? Oder sollte sie zu ihm fahren? Oder sollte sie so tun, als sei nichts geschehen, und ihn glauben lassen, was er wollte? So oder so, was machte es schon für einen Unterschied für Nick, ob es einen Mann in ihrem Leben gab oder nicht? Das war die schwierigste Frage von allen, weil sie schon im Voraus die Antwort wusste.
10. KAPITEL
Kurz nachdem Sophie ihr Baby zur Welt gebracht hatte, machte Abbie einen Besuch bei der jungen Mutter. Baby William gedieh prächtig, und Abbie war erstaunt, wie schnell der Teenager in seine neue Rolle hineingewachsen war.
“Natürlich ist meine Mutter mir eine große Hilfe”, erklärte Sophie. “Sie zeigt mir, wie ich alles machen soll, und William ist ausgesprochen brav.”
Abbie war mit dem Baby sehr zufrieden. “Bestimmt ist dein Vater mächtig stolz auf dich”, sagte sie zu ihm.
“Billy ist ganz außer sich vor Freude”, erzählte Sophie. Sie legte den Jungen in die Wiege, und Abbie staunte, wie peinlich sauber und ordentlich das kleine Zimmer war, wo es doch kaum Platz für Sophies Bett, die Wiege und einen Wickeltisch gab.
Die Familie Jackson hat es nicht leicht, dachte Abbie bei sich. Außer Sophie und den drei Jungen gab es noch Chloe, die an Leukämie erkrankt, jetzt aber schon auf dem Wege der Besserung war.
“Ich wünschte, Billys Eltern würden mal vorbeikommen und sich das Baby ansehen”, sagte Sophie. “Sie sind noch nicht ein einziges Mal hier gewesen, seit William geboren wurde.”
“Für sie es auch schwer”, versuchte Abbie ein gutes Wort einzulegen. “Aber Billys Eltern werden sich mit der Zeit schon an den Gedanken gewöhnen, dass sie Großeltern geworden sind, du wirst sehen. Und wie geht es dir, Sophie? Fühlst du dich gut?”
“Ich fühle mich großartig und hoffe, dass ich in Kürze wieder auf das College gehen kann. Nächste Woche habe ich einen Termin beim Direktor. Vielleicht nimmt er mich schon wieder auf, bevor das Semester beendet ist.”
“Das wäre ja
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