Bianca Exklusiv 0189
auf.
Schließlich hörte er auf, sie zu küssen, atmete tief durch und sah sie eindringlich und fragend an.
Einen Moment lang war Esme unschlüssig. Ihr war ganz schwindlig. Und sie war auch beunruhigt über die Stärke ihrer Empfindungen. So leicht ließ sie sich also von ihren Gefühlen hinreißen. Irgendwie schaffte sie es dann aber doch, zur Vernunft zu kommen.
Leicht verstört und verlegen sagte sie schließlich: „Ich kann das nicht tun. Bitte lass mich allein.“
„Gut“, erwiderte er nur und ließ sie ganz los. Keine Widerrede, kein Flehen. Dann ging er einfach leise hinaus.
Ihr traten Tränen in die Augen. Jack hatte alte, bereits vernarbte Wunden wieder aufgerissen.
2. KAPITEL
Esme konnte es sich nicht leisten, lange zu weinen. Es war schon später Nachmittag, und sie musste bald Harry abholen.
Sie ging zur Spüle hinüber und wusch sich schnell das Gesicht mit kaltem Wasser ab. Dann stellte sie das Tonicwasser in den Kühlschrank zurück, die Ginflasche wieder an ihren Platz in der Ecke und wünschte sich, sie hätte einen Gin Tonic getrunken. Dann hätte sie wenigstens dem Alkohol die Schuld für ihr dummes Benehmen geben können.
Na ja, gerechnet hatte sie schon damit, dass Jack Doyle irgendwann einmal wieder hier auftauchen würde. Nur hatte sie sich immer vorgestellt, dass er nicht mehr so gut aussehen würde, nicht mehr so schlagfertig und überlegen wäre. Sie musste unbedingt versuchen, distanzierter und würdevoller zu wirken. Schließlich war sie nicht mehr das junge Mädchen von damals.
Leider hatte er sich nicht verändert, war beinah immer cool und beherrscht oder aber leidenschaftlich. Und sie selbst? Nun, es schien, als wäre sie immer noch leicht besiegbar, auch wenn sich die schwärmerischen Gefühle von einst in Groll verwandelt hatten.
Vielleicht hatte Jack aber auch recht, und ihr Privatleben war einfach zu langweilig. Die letzte gescheiterte Beziehung lag schon eine ganze Weile zurück. Momentan lebte sie sehr enthaltsam.
Ja, daran musste es liegen. Nach drei Jahren Abstinenz hätte sie wahrscheinlich auf jeden halbwegs ansehnlichen Mann reagiert.
So richtig überzeugt war sie davon aber nicht. Schließlich gab es da ja auch noch Charles Bell Fox, den Menschen, den man noch am ehesten als ihren Freund bezeichnen könnte. Sie kannte Charles schon seit ewigen Zeiten. Esmes Mutter hätte ihn gern als Schwiegersohn gehabt. Und doch hatte Esme bisher seine zarten Annäherungsversuche zu verhindern gewusst.
Charles war ein Gentleman. Nie würde er sie gegen ihren Willen küssen oder bedrängen. Hätte er es jedoch versucht, wären sie vielleicht inzwischen ein Paar.
Welch abartiger Gedanke! Esme schüttelte den Kopf. Sie vergewisserte sich, dass Jack Doyle inzwischen in seinem teuren Schlitten zum Tor hinausgefahren war. Danach verschloss und verriegelte sie die Haustür von innen.
Schließlich verließ sie das Haus durch die Küche. Sie ging zunächst über den Hof, die rückwärtige Zufahrtsstraße entlang und dann in das Wäldchen hinein, wo das ehemalige Jagdaufseherhaus stand.
Es war gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts gebaut worden und nicht gerade hübsch. Doch Esme hatte ihr Bestes gegeben, um es zu verschönern. Sie hatte die Fassade in Terrakotta-Farbe gestrichen und die Türen blau lackiert. Vor das Haus hatte sie diverse Töpfe und Körbe mit bunten Blumen gestellt.
Sie ging schnell hinein, holte ihre Jeansjacke und zog noch rasch flache Schuhe an. Dann nahm sie die Abkürzung durch den Wald, die zu den hinteren Toren des Besitzes führte.
Esme sah auf die Uhr. Sie lag noch gut in der Zeit, beschleunigte aber trotzdem ihren Schritt. Sie hatte immer Angst davor, dass der Bus einmal früher kommen und Harry allein an der Straße stehen könnte.
Weil die hohen schmiedeeisernen Tore verschlossen waren, benutzte sie die kleine Nebentür in der Mauer. Der Schlüssel für die Tür lag immer unter einem losen Stein. Sie holte ihn sich, schloss die Tür auf und trat hinaus an den Straßenrand.
Da sah sie den dunkelgrünen Sportwagen, der an der anderen Straßenseite stand. Jack! Er hatte sie wohl auch gesehen, also machte es keinen Sinn, schnell wieder hineinzulaufen. Das würde merkwürdig aussehen. Außerdem musste der Bus gleich kommen.
„Fahr schon los“, murmelte sie vor sich hin und freute sich bereits, als sie hörte, dass er den Motor startete. Doch sie hatte sich zu früh gefreut. Er wendete auf der Straße, fuhr auf Esme zu und hielt neben ihr an.
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