Bianca Exklusiv Band 0226
Fast jeder hatte sich gegen ihn gewandt und ihn seinem Schicksal überlassen. Sie hatte die Feindseligkeit erlebt, die ihm entgegengebracht wurde. Und doch machte er niemanden als sich selbst verantwortlich. Das erforderte einen gewissen Mut und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung. Sie wünschte, sie könnte ihm helfen. Sie wünschte, ihre Beziehung wäre nicht so kompliziert geworden.
Als ob er ihre Anwesenheit spürte, drehte er sich um. Er lächelte nicht. Gemächlich glitt sein Blick über ihr Kleid, die schwarzen Seidenstrümpfe und die eleganten Stöckelschuhe.
Ihr Körper erwachte unter seinem Blick. Die kühle Seide des Kleides fühlte sich erotisch auf ihrer Haut an. Durch eine intuitive Kraft angezogen, die neu und fremdartig war, ging sie zu ihm. Sie holte tief Luft und begegnete seinem Blick. Eine unerklärliche Spannung ergriff sie. Und doch fühlte sie sich nicht bedroht.
Seine Augen funkelten vor Anerkennung. „Du siehst wundervoll aus.“
Das Kompliment machte sie verlegen. „Ich hoffe, ich habe dich nicht warten lassen.“
„Ich habe die Aussicht genossen“, entgegnete er.
Sie blickte aus dem Fenster. „Der Fluss sieht ziemlich wild aus.“
„Das ist er auch. Die Flüsse in Maine wurden früher benutzt, um Baumstämme hinunter zur Bucht zu transportieren, und dazu war eine starke Strömung erforderlich.“
„Und wie ist deine Familie ins Geschäft kommen?“
„Sie hat sich mühsam emporgearbeitet. Mein Großvater hat in einem Holzfällercamp gearbeitet, und seine Frau hat für die Arbeiter gekocht. Irgendwie haben sie genügend Geld zusammengespart, um ein Sägewerk in Henderson zu eröffnen.“
Olivia wurde bewusst, dass ihm das Sägewerk sehr viel bedeutete – vielleicht ebenso viel wie ihr „Stone’s End“. Diese Erkenntnis rief ein Gefühl der Verbundenheit mit ihm hervor. Seltsam, dass sie sich so zu jemandem hingezogen fühlte, den sie nur kurze Zeit kannte.
Vielleicht ließ sich die Zeit eher in Intensität als in Tagen oder Wochen messen. Anstatt diese Einsicht auszusprechen, bemerkte sie: „Also liegt es dir im Blut.“
„Das nehme ich an. Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht.“
„Willst du deswegen das Sägewerk wieder eröffnen?“
„Deshalb, und weil irgendjemand es tun muss.“ Als hätte sie einen wunden Punkt berührt, wechselte er abrupt das Thema. „Wollen wir uns einen Tisch suchen?“
Die Atmosphäre im Speisesaal war schlicht und elegant. Ein Streichquartett spielte gedämpft im Hintergrund. Beinahe augenblicklich trat ein Kellner an ihren Tisch, um ihre Bestellung aufzunehmen. Olivia entschied sich für Fisch, Drew wählte gegrillte Rippchen und eine Flasche Champagner.
Als die Getränke serviert wurden, hob er sein Glas. Kerzenlicht spiegelte sich in seinen dunklen Augen, als er lächelnd sagte: „Auf uns.“
Der Champagner stieg ihr sofort zu Kopf – oder vielleicht war es auch Drews Lächeln. Plötzlich wollte sie mehr über diesen Mann erfahren, der ihre Fantasie derart fesselte – wenn nicht gar ihr Herz. „Warst du schon mal richtig verliebt?“
Er stellte sein Glas ab. „Ist es nicht ein bisschen zu spät für derartige Fragen?“
„Ich bin nur neugierig.“
„War nicht jeder schon mal verliebt? Wie steht es mit dir?“
„Bisher ist es mir gelungen zu entgehen.“ Ihr wurde bewusst, dass sie sich anhörte, als ob die Liebe eine ansteckende Krankheit wäre. Der Lebenswandel ihrer Mutter hatte sie dagegen immunisiert.
„Also gut. Was willst du wissen?“
Olivia zuckte die Achseln. „Eigentlich frage ich mich nur, was wäre, wenn du dich verliebst. Wie würde es sich auf uns auswirken?“
„Das steht nicht zur Debatte.“
„Vielleicht nicht jetzt. Aber was ist morgen oder nächste Woche? Woher willst du wissen, ob du nicht eine faszinierende Frau kennenlernst? Ist dir das noch nie passiert?“
Er lehnte sich zurück. „Mit achtzehn habe ich mich Hals über Kopf verliebt“, gestand er ein.
„Und was ist daraus geworden?“
Er zuckte die Achseln. „Wir haben uns getrennt.“
„Du hast mal erwähnt, dass du Rachels Zwillingsschwester kanntest. War sie diejenige?“
Seine Miene verfinsterte sich. „Allerdings.“
Lange Zeit starrte Olivia auf ihren Teller, bevor sie wagte nachzuhaken: „Sie hieß Laurel, oder? Und ihr Sohn Dylan ist von Jared.“
„Ja“, bestätigte er. „Hör mal, es ist eine alte Geschichte. Laurel ist vor vielen Jahren gestorben. Rachel und Jared sind verheiratet. Ich habe
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