Bianca Spezial Band 8
sehr dankbar dafür, dass du meinetwegen dein Leben hierher verlegt hast. Ich weiß, dass es dir schwerer gefallen ist, als du zugegeben hast.“
„Es war aber am vernünftigsten so“, erwiderte Libby. „Ich musste mich dabei weniger umstellen als du.“
„Ich kannte dich damals noch nicht so genau. Wahrscheinlich habe ich dich mehr oder weniger dazu gezwungen.“
„Na ja, ich habe das wohl zugelassen, weil es gute Gründe dafür gab.“
„Wir dürfen uns aber ruhig auch mal streiten, Libby. Wir werden uns dann schon wieder einig.“
„Ach, findest du, dass wir uns nicht oft genug streiten?“
Brady lachte erst, dann runzelte er die Stirn. „Ja, das finde ich. Seltsam, aber wahr. Und ich fürchte, das liegt auch an mir.“
Der Kakao ergoss sich über Scarletts Vorderseite, bevor Brady einmal quer durch die Küche sprinten und ihr zur Hilfe kommen konnte. Irgendwie war es ihr gelungen, den Deckel ihrer Schnabeltasse abzuschrauben, und jetzt war das Mädchen ganz nass und braun und klebrig.
Außerdem weinte sie. Das Getränk war zwar bloß lauwarm gewesen, aber sie hatte einen recht großen Schreck bekommen, und auch Bradys erste Reaktion hatte da nicht weitergeholfen. Er hatte laut aufgeschrien und war auf sie zugestürzt, also dachte sie jetzt natürlich, es wäre etwas ganz Schlimmes passiert.
„Hey“, beruhigte Brady sie, während er sie aus dem Kinderstuhl hob. „Kein Problem. Du bist ja bloß ein bisschen nass geworden. Ich wasch dich gleich mal ab, dann zieh ich dir etwas Frisches an.“
Schade um die Besprechung, für die er sowieso schon spät dran war, weil er verschlafen hatte. Um vier Uhr morgens hatte Libby ihn nämlich aus seinen Träumen geholt … aber das, was er dann mit ihr in der Wirklichkeit erlebte, war sehr viel schöner gewesen als jeder Traum.
Die heutige Besprechung sollte um Punkt acht an einer seiner Baustellen beginnen, die eine halbe Autostunde entfernt lag. Nun war es schon fünf nach halb acht, und er musste Scarlett vorher noch im Kindertagesheim abliefern.
Eilig befreite er sie von dem nassen, blau-grün karierten Spielanzug und dem Unterhemd darunter. In der Armbeuge hielt er sie unter den Wasserhahn und trocknete sie anschließend mit einem Geschirrtuch ab.
Neben der Kellertür stand ein Korb mit sauberer, zusammengefalteter Wäsche. Das kam ihm gerade äußerst gelegen. Brady wühlte nach einem Unterhemd und nahm außerdem ein Ensemble von Colleen heraus, das gleich obenauf lag. Es war das rosa Kleidchen mit den passenden Leggings und dem weißen Sternchenmuster, das sie so oft trug. Scarlett reckte brav beide Arme in die Luft und hob nacheinander die Füße, als er ihr die Sachen anzog.
Ich rufe dann nachher Libby an, dachte er. Dann erkläre ich ihr, warum ich Scarlett … Nein, halt! Warum sollte ich?
Es war doch verrückt, dass sie die Kinder immer noch so unterschiedlich anzogen, dass sie immer noch zwischen Scarletts Sachen und Colleens Sachen unterschieden, Scarletts Autositz und Colleens Autositz. Es gab Scarletts Dad und Colleens Mom, und Scarletts Leben fand getrennt von dem ihrer Schwester statt.
Brady und Libby wohnten nun schon seit Ende Oktober zusammen, und sie waren seit über einem Monat verheiratet. Trotzdem klammerte sich Libby immer noch an diese künstlich gezogenen Trennlinien, und er konnte sich einfach nicht erklären, warum.
Etwa wegen ihrer schlechten ersten Ehe?
Gut, er glaubte das sogar verstehen zu können. Nicht, dass Libby jemals ausgesprochen hätte, dass die Ehe schlecht war, aber die wenigen Dinge, die sie ihm darüber anvertraut hatte, sprachen für ihn eine deutliche Sprache: der Weihnachtsbaumkauf etwa. Oder die Sache mit der eigenen Grundschulklasse.
Heute Nachmittag flogen Libby und Colleen nach St. Paul, und das machte ihn ganz nervös. Er hatte Libby angeboten, dass sie Colleen ja bei ihm lassen konnte, damit Libby die Sache mit dem Haus schneller über die Bühne bringen und vielleicht sogar den Aufenthalt verkürzen könnte, aber darauf war sie natürlich nicht eingegangen. Außerdem kam auch schon ihre Mutter nach St. Paul, um ihr zu helfen. Es war also mal wieder gar kein Problem , um es mit Libbys Worten zu sagen.
Natürlich nicht.
Brady konnte sich nicht helfen, er hatte bei der ganzen Sache ein äußerst komisches Gefühl. Aus unerklärlichen Gründen hatte er eine Heidenangst davor, dass Libby und Colleen von diesem Besuch vielleicht gar nicht zurückkämen. Irgendetwas an der Art, wie Libby sich auf
Weitere Kostenlose Bücher