Bianca Spezial Band 8
während sie die Auswahl betrachtete. Libbys Stimme klang seltsam. „Das sind ja Massen. Such einfach einen aus, Brady.“
Nun war es so weit. Er musste sie endlich damit konfrontieren, dass sie sich ihm gegenüber so seltsam verhielt. Das hatte er schon die ganze Zeit vorgehabt, und nun gab ausgerechnet der Weihnachtsbaumkauf den Ausschlag dafür. „Okay, Libby, was ist eigentlich los?“, sprach Brady sie an und legte ihr die Hände dabei fest auf die Schultern. „Diesmal möchte ich es genau von dir wissen. Diesmal lasse ich mich nicht ablenken. Ich möchte, dass wir jetzt darüber reden.“
Seine Stimme klang ganz ruhig, aber Libby zweifelte keine Sekunde daran, dass es ihm ernst war und dass es verrückt von ihr wäre, so zu tun, als gäbe es gar kein Problem. Und trotzdem gab sie ihm keine richtige Antwort auf seine Frage, und das wusste sie auch: „Ich schätze, ich hatte bloß vergessen, dass mir das hier keinen besonders großen Spaß bringt.“
Noch während sie sprach, holten sie die Erinnerungen ein: an die eiskalte Winterluft in Minnesota und den harten, knirschenden Schnee. Es war weder schön, magisch noch weihnachtlich für sie gewesen, als duldsame Vorzeigefrau nicht von Glenns Seite zu rücken – ganz egal, wie lange er für die Auswahl brauchte. Sie musste die klirrende Kälte ignorieren, die am Weihnachtsbaumstand und auch in ihrer Ehe herrschte, weil sie offenbar die Einzige war, die diese Kälte spürte.
Es gab so unendlich viele Bäume, und alle sahen mehr oder weniger gleich aus. Aus irgendeinem Grund schien die Wahl des richtigen Baumes für Glenn eine besondere Bedeutung zu haben. Hier war ihm das Grün zu spärlich, dort der Stamm zu krumm.
„Was meinst du denn?“, fragte er sie immer wieder.
Hin und wieder gab sie ihm sogar eine Antwort. Doch wenn sie sagte: „Der dort drüben gefällt mir gut“, dann kam dieser Baum für Glenn nie infrage. Hin und wieder, ganz selten, sagte sie mal so etwas wie Dieser hier ist mir etwas zu dick oder Der dort ist auf einer Seite ein bisschen flach . Und es kam ihr so vor, als würde Glenn nach einer Weile unweigerlich gerade zu diesen Bäumen zurückkommen. „Weißt du“, sagte er dann meist, „mir gefällt doch dieser hier am besten. Ich finde, den nehmen wir.“ Libby war sich nie ganz sicher, ob er es nicht mit Absicht tat.
Später, bei ihnen zu Hause, hatte er sie dann immer dafür gelobt, wie hübsch sie den Baum geschmückt hatte, und sie hatte sich dann gedacht: Na ja, vielleicht ist der Baum in Wirklichkeit gar nicht so flach. Jedenfalls sieht man die flache Seite nicht.
„Was ist los, Libby, ist dir die Auswahl zu groß? Ist es dir hier zu grün?“ Bradys Frage holte sie wieder in die Gegenwart. „Was ist es?“
„Nein“, erwiderte sie und war in ihren Gedanken immer noch beim Baumkauf in Minnesota, wo sie selbst gar keine Auswahl gehabt hatte. „Zu klein.“
„Aber es gibt hier Tausende von Bäumen!“
„Okay, dann such endlich einen aus!“, schrie sie und kämpfte sich aus Bradys festem Griff frei. „Bring es hinter dich, und dann lass uns wieder fahren!“
„Aber wir wollten doch zusammen einen Baum aussuchen, oder? Libby, rede bitte mit mir.“ Nun klang Brady ein wenig verzweifelt. „Jedenfalls hatte ich mir das so vorgestellt“, sagte er und betrachtete ihr Gesicht, „dass wir gemeinsam etwas aussuchen.“
„Wenn du dir das wirklich so gedacht hast …“, begann sie.
„Natürlich, Libby. Und wenn dir das keinen Spaß bringt, dann beeilen wir uns eben. Sag mir einfach, welche drei Bäume dir von hier aus gesehen spontan am besten gefallen, und ich suche einen davon aus. Das ist doch gerecht, oder? Nicht?“
„Gerecht? Du machst dir Gedanken darüber, ob es gerecht ist!“ Libby brach in Tränen aus, aber gleichzeitig lachte sie. Du liebe Güte, nun wurde sie aber wirklich hysterisch! So zu reagieren … wegen eines Baumes!
„Ich finde die Idee ganz wundervoll. Und es ist doch so einfach“, schluchzte sie, dann lachte sie wieder. „So offensichtlich! Warum ist Glenn bloß nie auf so etwas gekommen?“
„Glenn? Es geht hier um Glenn ?“
„Oh. Ja, das heißt, vielleicht auch darum, dass ich mich ihm gegenüber nie durchsetzen konnte. Weil … zuerst … als wir uns gerade kennengelernt hatten, da habe ich mir wohl auch jemanden gewünscht, der mir … Entscheidungen abnimmt.“ Libby runzelte die Stirn. Dann erzählte sie Brady von den endlosen Prozeduren, die sie jedes Jahr zur
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