Biker's Barbecue (German Edition)
wenn ein Baby geboren wird, verlässt ein Typ die Stadt.“
Jim ist es auch, der uns über die amerikanische Küche aufklärt: Ob es da wohl einen Trick gibt, um in den Staaten zu gutem Brot zu kommen? – „Klar. Kauft euch einen eigenen Ofen.“ – Ausgerechnet er sagt das. Wo er selbst noch nicht einmal einen Fernseher besitzt. Wenn es nach ihm geht, sollen seine Kinder nämlich ohne „das Ding“ aufwachsen. Und so jemand lebt in den USA!
Für diesmal müssen wir jedenfalls auf den Ofen verzichten. Sorry, Jimmy! Den Kocher haben wir ja auch schon rausgeschmissen.
Telefonbedienung in den USA
Fast alles, was in good old Austria staatlicher Regelung unterliegt, ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Privatsache. Besonders bemerkenswert ist diese Entwicklung auf dem Glücksspielsektor. Der absolute Renner ist hier nämlich zugleich ein ausgesprochener Klassiker: das öffentliche Telefon! In den USA ist natürlich auch dies schon lange im Besitz von Privatfirmen. Und ebendiese profitorientierten Gesellschaften legen weder auf landesweite Vernetzung noch auf Kooperation mit der Konkurrenz überflüssig viel Wert.
75 Cents Grundeinsatz sowie der bescheidene Wunsch nach einer Standardverbindung (z. B. Richland/Wisconsin – Los Angeles), und schon liegt dem begeisterten Spieler die reizvolle Welt des Crosscountry-Phone-Gambling zu Füßen: Benötigte Zeit zum Aufbau der Verbindung nicht unter fünf Minuten, der Rest (richtiger Staat, richtige Stadt, richtige Nummer) hängt von Geschick und Ausdauer des Gamblers ab. Der chromglänzende Münzfernsprecher wird zum einohrigen Banditen. Nervenkitzel pur! Abendfüllende Unterhaltung garantiert. Interaktives Zeit-Thrashing! – Und jede Wette: Telefonsex ist zäh und langatmig dagegen …
Leider macht Phone-Gambling, wie jedes andere Glücksspiel, süchtig: Sollte die Verbindung eines Tages wirklich zustande kommen, dann hat man guten Grund, sich Sorgen zu machen. Mit Sicherheit hat man dann zu viel Zeit vor dem Gerät verbracht. Der Weg zu den anonymen Telefonikern ist vorprogrammiert.
25.
Iowa sucks. Joel, Trek-Mann
Radfahren könnte man als eine Befreiungssportart bezeichnen: Jedes Problem, das nicht in die Satteltaschen passt, bleibt zurück. Bücher, Kochtöpfe, Öfen … – all das ist ungeheuer befreiend. Leider bleibt auch hin und wieder einiges andere zurück. Der Geist ist eben (trotz permanenter Fahrtwindkühlung) nicht mehr ganz so frisch wie zu Beginn. Und die andauernde, gnadenlose Sonnenbestrahlung trägt auch nicht gerade dazu bei, die allmählich um sich greifende Verblödung aufzuhalten.
Mist. Gestern in Richland muss ich irgendwo meine Sonnenbrille verschmissen haben.
Route 171 führt unmissverständlich nach Westen. Die 171 ist ein mageres, hügeliges Sträßlein, das sich still und leise durch ein einsames Tal voll duftender Apfelplantagen windet: Kühe rechts, Bächlein links, über uns ein tiefblauer Himmel, geschmackvoll angerichtet mit frisch gewaschenen Schäfchenwolken und einer dottergelben Sonne. Ab und zu kündigt eine Holzbrücke den friedvollen Wechsel von Kühen und Bächlein an. – Einfach gestrickte Seelen müssen sich so in etwa das Paradies vorstellen.
Am Ende einer der vielen erfrischenden Abfahrten verhindert eine Notbremsung, dass wir mit verklärtem Blick geradewegs in den Mississippi rasen. Die 171 ist hier zu Ende. Das dazugehörige Schild nach der letzten Kurve war wohl gerade von einem Wiederkäuer verstellt. Vor uns erstrecken sich nun die unendlichen Weiten des größten nordamerikanischen Stroms. Binnen weniger Augenblicke wandelt sich der Begriff „Mississippi“ in unseren Köpfen vom unaussprechlichen Kinderreim-Vokabel zum mächtigen, unüberschaubaren Fluss: riesig, den gesamten Horizont einnehmend und so ruhig, dass wir anfangs Mühe haben, die Strömungsrichtung zu bestimmen; wie ein riesengroßer See ohne Nord- und Südufer.
Siesta an den Ufern des Mississippi: Eine Zwei-Liter-Packung Icecream hilft uns dabei, die Körpertemperatur zur Regeneration auf kälteschlaftaugliche 15 Grad herunterzukühlen.
Stefan hat plötzlich die Krise: Er beansprucht egoistischerweise den ganzen Picknicktisch für sein Mittagsschläfchen und findet die Reise auf einmal „langweilig“. Und das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo ich anfange, mich sauwohl in meiner Haut zu fühlen.
Trotz orakelhafter Warnungen („Iowa sucks!“ – Iowa saugt ? Was mag das wieder bedeuten?!)
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