Biker's Barbecue (German Edition)
wir. Der dazugehörige Werbespot ist aber auch mit Abstand der coolste dieses Sommers. Und jeder Ami, der ab und zu per TV-Gerät nach Atlanta schielt, kennt ihn. Wir ziehen also wie zwei verirrte olympische Fackelläufer durch die Lande, nun doch ein Grund, die aufdringlichen Karos mit stolzgeschwellter Brust zu tragen.
26.
I’m jealous as hell. Ward, Bikedealer
Wir schlafen diesmal so lange, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als in Decorah gleich auch noch zu Mittag zu essen. In dem klassischen Road-Diner sitzt dann zufällig Joe, der Organist, neben uns, der auch schon einmal im Wiener Stephansdom in die Tasten gehauen hat. Verständlicherweise ist er fast noch mehr überrascht, dass wir, die wir immerhin auch schon mal im Stephansdom waren, nun plötzlich neben ihm beim Essen sitzen.
Ansonsten ist es ein Tag der Vergangenheitsbewältigung. In den menschenleeren Gegenden, durch die wir heute fahren, hat man viel Zeit, über aufgestaute Probleme zu reden und alte Streitereien aufzuarbeiten.
Nach ein paar nervenaufreibenden Grundsatzdiskussionen geht’s wieder besser zwischen Stefan und mir. – Was für ein komplizierter Mensch!
Auch mein persönliches Problem hat sich inzwischen von selbst gelöst: Nachdem sich die letzten 24 Stunden wohltuend von der üblichen Routine abgehoben haben, hat die Reise für mich jetzt wieder Farbe bekommen.
Ich bin am Ziel der Reise. Iowa ist genau dieser nichtssagende No-Name-State in der Mitte des Kontinents, den ich mit seinen ozeanähnlichen Maisfeldern, ins Unendliche zielenden schnurgeraden Straßen und kleinen Dörfern so richtig genießen kann.
Mit vollen Wassertanks, Bananen, Müsliriegeln und Chocolate-Chip-Cookies radeln wir zufrieden und unabhängig durch dieses immer gleiche Niemandsland: Die Sonne brennt aus einem wolkenlosen Himmel herunter, Vögel hüpfen uns vor lauter Langeweile von einem Strommast zum nächsten nach, und wenn man gelegentlich von einem unter lautem Gezeter attackiert wird, dann ist man für diese kontrastreiche Action-Einlage schon richtig dankbar.
Selbst die Amerikaner blicken hier nicht so richtig durch: Iowa? Idaho? Oder doch Ohio? – Also was jetzt? Das mit den Sojabohnenfeldern, das mit den Kartoffeln oder das mit dem Mais?
Rast unter einem schattigen Baum auf einem luftigen Hügel, Schuhe ausziehen (Mist, habe ich mir im nassen Osten einen Fußpilz eingefangen?) und Seele baumeln lassen.
Tobi ist irgendwie ganz zufrieden mit sich. Nehme ich jedenfalls an. Mit Fragen wie „Fühlst du dich eher statisch oder dynamisch?“ versucht er heute auszuloten, ob ich die Pause schon beenden und weiterfahren will. – „Danke, Tobi. Aber die Statik überwiegt.“ Also bleiben wir einfach noch ein bisschen liegen.
Alles, was wir brauchen, ist da. Wir stellen keine unerfüllbaren Ansprüche, unser Kapital steckt in den Beinen und im Kopf, der von Tag zu Tag einen kleinen Traum nach dem anderen in Erfüllung gehen sieht. Iowa – der Mittlere Westen – liegt dort, wo ich irgendwie schon immer mal sein wollte und es bloß noch nicht wusste – nämlich in der Mitte von nirgendwo. Warum das so schön ist, fällt mir schwer zu erklären: Alles „Wichtige“ ist hier so ungeheuer unbedeutend. Alles wirklich Wichtige ist dagegen herrlich einfach.
Am Abend landen wir dann in St. Ansgar in einer Methodistenkirche mit Internet-Anschluss. Wir erhalten freundlicherweise die Erlaubnis, die Pfarrräume zu benutzen, und diesmal ist sogar eine Küche dabei.
Damit wir in der Küche auch etwas zu tun haben, nimmt mich der Pfarrer in den Nachbarort zum Einkaufen mit (keine große Sache – schließlich sind es bis dahin bloß 23 Meilen, und der dortige Supermarkt hat eine größere Auswahl als der in St. Ansgar).
Wir haben gerade mit dem Essen angefangen, da kommt der Pfarrer noch einmal, um nach uns zu sehen. So ganz nebenbei fragt er uns schließlich, ob wir ihm nicht ein wenig Schach beibringen könnten.
Tobi ist niederträchtig genug, die ganze Sache (mittels fadenscheiniger und verlogener Komplimente) auf mich abzuwälzen. Also muss ich ran.
Ich beginne die Partie überfallsartig: Mit dem Selbstbewusstsein eines dahergereisten Radfahrers, der einem ortsansässigen Pfarrer das Schachspiel beibringt, reiße ich mir als erstes seinen Bischof (bei uns würde man „Läufer“ sagen) unter den Nagel. Hähä … – das muss den Pastor zweifellos besonders schmerzen. – Der Gottesmann lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen: Listig
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