Biker's Barbecue (German Edition)
Todesverachtung stürzt sich der lodernde Feuerball ins dunkelrote Wasser und der Himmel füllt sich mit apokalyptischen Wolken, während die immer länger werdenden Schatten der Uferbäume still und heimlich das restliche Tageslicht in sich hineinschlürfen. Was für ein Anblick!
In mein Tagebuch notiere ich zum heutigen Tag zwei neue „Patschen“ (macht fünf in nur drei Wochen; Stefan hatte noch keinen). Und: Madison ist die erste Stadt seit Boston, in der es wirklich gutes Bier gibt.
Diese Stadt ist eine Insel in einem Meer von Budweiser! Und Tobis platte Reifen erinnern mich inzwischen immer mehr an die Komödie „Ein Tolpatsch kommt selten allein“: Mir geht es dabei wie Pierre Richard, der im Laufe des Films sein sprichwörtliches Dauerpech immer besser an seinem höhnischen Reisegefährten Gerard Depardieu abwischen kann. (Hehe …)
Kurvenlage
Was sich schon in den vergangenen Wochen abgezeichnet hat, ist seit heute klar: Unsere Stimmungskurven verlaufen auf dieser Reise vollkommen gegenläufig. Geht es dem einen schlecht, dann fühlt sich der andere meistens erstaunlich gut. Eine Reaktion löst immer eine Gegenreaktion aus.
Heute hat diese Differenz wohl zur Explosion geführt. Doch in den Wochen, die noch vor uns liegen, werden wir genau aus dieser Fähigkeit das Potential schöpfen, unser Abenteuer wohlbehalten zu Ende führen zu können. Diese „Kurventechnik“ ist unsere Reiseversicherung: Keine Verzweiflung ohne Zuversicht, kein Schwächeanfall ohne Kraftausbruch, keine kleinlaute Resignation ohne strotzende Willenskraft. Die vollkommene Katastrophe gibt es nicht.
Möglich, dass ein Zustand wie dieser nur aus der Rivalität zweier Geschwister entstehen kann: Aus der unerschütterlichen (und letztlich nicht beweisbaren) Überzeugung, all das prinzipiell auch zu können, was der andere kann.
Oft hat man uns gefragt, wer von uns eigentlich der Reiseleiter ist. Eine gute Frage. Tatsächlich vollzieht sich Tag für Tag eine Unzahl situationsbedingter Führungswechsel. Es ist beileibe kein zufälliger Prozess. Aber steuern lässt er sich deswegen noch lange nicht – und zumeist nicht einmal vorhersagen.
23.
A rest day is a day that gives you the rest. Radfahrer-Lexikon
Nach dem Frühstück geht es wieder zurück in die Radzentrale. Unserer aufgestauten Unzufriedenheit über die Räder (verdammte Reifenflickerei!) und unseren Befürchtungen für die letzten zwei Drittel der Reise haben wir bereits gestern freien Lauf gelassen.
Die Radfirma verspricht uns nagelneue, stabilere Reifen, die unsere schweren Satteltaschen leichter verkraften, und Tobi eine gerade Lenkstange. Bei der anderen – Modell „Holländischer Käse“ – schlief ihm immer die linke Hand ein. Trotzdem, so richtig zufrieden sind wir doch nicht: Wenn uns die „Trek“-Leute jetzt tatsächlich alle unsere Wünsche erfüllen, dann haben wir ja auf einmal gar nichts mehr zu motzen!
Natürlich geht der Reifenwechsel bei Trek nicht im Formel-1-Tempo. Weil Stefan überdies noch sein neues Rad justieren lassen muss, schieben wir nach der Hetzerei der vergangenen zwei Tage einfach noch einen Tag Pause ein.
Am frühen Nachmittag überkommt uns allerdings schubartig ein fiebriges Zittern. Als sich etwas später auch noch die ersten Schweißausbrüche einstellen, erkennt Joel – ein äußerst erfahrener „Trek-Mann“ und unser heutiger Gastgeber – die Symptome auf Anhieb und erklärt uns, dass es sich dabei nur um die Folgen eines allzu abrupten Fahrradentzugs handeln kann. Mit erschütternder Selbstlosigkeit packt er kurzerhand drei nagelneue Test-MTBs ins Auto und setzt sich hinters Steuer. Per Landrover geht es dann eine gute Stunde in nördlicher Richtung aus der Stadt hinaus. Während der Fahrt erklärt uns Joel alles Wissenswerte über die anstehende Therapie: „Trek-Mountainbike-Trail“ heißt die Behandlung, die angeblich geeignet sein soll, auch die hartnäckigsten Radfahrerleiden ein für alle Mal zu kurieren. (Juhuu! Wir waren ja schon so lange nicht mehr auf dem Rad …) In der Nähe eines Kaffs namens Whitewater brettern wir dann mit den Rädern 20 Meilen in voller Fahrt über Stock und Stein. – Toll, endlich muss man keine Sorgen haben, dass die Dinger auseinanderfallen!
Zwei bis drei mühsame, anstrengende und gefährliche Stunden – ein echter Spaß!
Ohne die schweren Radtaschen ist das, als ob man fliegt! Aber, sind wir noch ganz richtig im Kopf? Haben wir an unserem freien Tag wirklich nichts
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