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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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nicht so groß seien, auch wolle er für Kost und Logis um eine billige Entschädigung unter seinem eigenen Dache sorgen. Daß meine Vorkenntnisse zur Beziehung der Universität genügen, wisse er.
    Sowohl Direktor als Kommis der Tuchfabrik sahen mich gern aus ihrem Geschäft gehen, für das ich nun einmal nicht taugte. Je eifriger ich auch nach dem Lesen wissenschaftlicher Schriften und Poesien strebte und mich in solche vertiefte, je schwerer fiel mir das Verfertigen von Tuchsäcken und Musterkarten und das Ausklopfen von Indigofässern; auch erschien ich meiner Umgebung nach und nach als eine mysteriöse Person, hinter der sie viel mehr Gelehrsamkeit vermuteten, als wirklich der Fall war; sie bekamen eine Art Respekt vor mir und verrichteten öfters jene Geschäfte lieber selbst, als daß sie mich dazu kommandierten, wenn ich solche nicht freiwillig tat.
    Am schwersten fiel meinem Naturfreunde
Kübler
mein Scheiden aus den Mauern dieser Anstalten, deren Bewohner, Fabrikarbeiter, Waisenkinder, Irren und Züchtlinge, wir so oft im kleinen durch unsere Camera obscura uns aufs Papier zauberten und in bunter Bewegung an uns vorübergehen ließen.
    Zur Erinnerung an jene Stunden schenkte er mir noch das Objektivglas der Camera obscura, die wir geschaffen hatten, und das ihm gehörte. Vermittelst dessen errichtete ich überall, wo mich später das Leben hinführte, eine gleiche Camera obscura, wobei mir immer, wie ich schon anführte, das Bestreben im Sinne lag, die Gegenstände durch chemische Mittel zu einer Fixierung aufs Papier zu bringen.
    Meine Freunde,
Hellmann, Constantin
und
Staudenmayer,
waren über meinen endlichen Austritt aus der Fabrik herzlich erfreut, der überspannte Hausschneider
Noä
aber war voll Neid, daß mir das gelungen. Er gab mir beim Abschiede zu verstehen, daß er mir wohl bald nach Tübingen zum Studium der
Rechtschaffenheitslehre
(wie er sich ausdrückte) auf die ihn die Schriften von
Sintenis
geführt, nachfolgen werde, er warte nur auf den Tod seiner kränklichen Frau; aber seine Frau überlebte ihn, und ihn nahm statt der Universität Tübingen das Irrenhaus zu Zwiefalten, wie ich schon berührte, auf.
    Bald aber gab mir in Tübingen mein Mantel, in den der Ofen, während meines Studierens, ein Loch brannte, Veranlassung noch einmal mit ihm in Berührung zu kommen; ich schrieb ihm damals mit dem verbrannten Mantel nach Ludwigsburg:
     
    »Prosit s'neu Jahr!
    In welche Gefahr
    Ich gekommen schier,
    Vernehmen Sie hier:
    Ganz ruhig ich saß
    Am Ofen und las
    In einem Buch:
    Wie Gottes Fluch
    Und alle Übel
    Ohne Bibel
    Durch Laxieren und Speien
    Zu heilen seien,
    Als plötzlich – o!
    Ganz lichterloh
    Aus dem Ofenloch
    Der Teufel kroch,
    Mir mit feurigen Klauen
    Den Mantel zu rauhen.
    Ich nicht dumm,
    Dreh mich um,
    Schüttel und rüttel
    Den brennenden Kittel,
    Aber ein Loch
    Bleibt doch
    Wie Sie sehen,
    Wenn sie ihn drehen.
    Nun bitt ich sehr,
    Mein lieber Herr!
    Verlassen Sie nicht
    Den armen Wicht
    Und setzen Sie doch
    Einen Plätz fürs Loch,
    Aber bald,
    Denn es ist kalt.
    Vielleicht hat
Sprösser
    Oder besser
    Die Fabrik
    Noch ein Stück
    Der Art feil
    Ihr Kerner (in Eil!)
     
    Diese Knittelverse leben noch jetzt im Munde mancher Ludwigsburger.
    Es war der Herbst des Jahres 1804, wo ich mich von Ludwigsburg und seinen Tuchsäcken und Tuchballen verabschiedete, und unter Tränen meiner guten Mutter, die mich ungern aus ihrer Nähe verlor, der Universitätsstadt Tübingen zuwanderte.
    Mit Büchern und Zeug war mein Ränzlein schwer bepackt. Um jetzt schon das Sparen anzufangen und einzulernen, hatte ich unterwegs nirgends eingekehrt und mich nur an ein paar Brunnen mit einem frischen Trunke zum Weitergehen gelabt. So kam ich im Mondschein, allerdings endlich sehr ermüdet vor Tübingen an, in der Gegend, wo an der Chaussee vor dem sogenannten Gutleuthause (einem Armenspital) eine Bank stand. Auf diese ließ ich mich ermattet nieder und schlief unter dem Gesäusel der nahen Pappeln ein.
    In diesem Schlummer hatte ich zum erstenmal den Traum, der mich nachher während meines Studiums auf der Universität noch sehr oft verfolgte.
    Es träumte mir, ich sitze zwischen einem Berge von Kompendien und Manuskripten in einem einsamen Stübchen, dessen einziges Fensterlein gegen eine Waldwiese sah.
    Ermüdet von vielem Lesen heftete ich endlich meine Augen von den Büchern nach dem Grünen der Waldwiese, und da sah ich, daß aus dem Walde über die Wiese her ein Hirsch mit Storchfüßen schritt,

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