Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
des schwedischen Volks und des schwedischen Bodens sich zu erinnern. Mit einem mäßigen Vermögen, das sie retten können, werden sie, im Fall sie das Landleben nicht scheuen, zwar hier keine Goldgruben, allein die Möglichkeit eines angenehmen tätigen Daseins, unter einem Himmelsstriche finden, der ungleich besser als sein Ruf ist, unter einem Volke reich an Kraft, an physischen und moralischen Anlagen, und auf einem Boden, der frei von solchen ist, die ihr Vaterland in einem zerrissenen kraftlosen Zustande erhalten, der aus den Gemütern entweder die Zufriedenheit bannt, oder in ihnen den letzten Funken von Nationalgefühl zernichtet.
Ich wollte der Bekämpfung der geistigen Gebrechen der Menschheit mein Leben weihn, es gelang mir nicht. Nun kehre ich zur Bestimmung meiner Jugend zurück, zur Bekämpfung körperlicher Gebrechen der Menschen. Ich begebe mich nach
Kopenhagen
und weihe mich dort wieder dem Studium der Arzneikunde.«
So weit mein Bruder
Georg
in diesem Briefe. Man muß bedenken, daß dieses im Jahre 1802 geschrieben wurde, wo
Bonaparte
erst anfing sich als solchen zu zeigen, für den ihn der Schreiber dieses Briefes schon in Italien erkannt hatte. Die Geschichte der nachfolgenden Jahre rechtfertigt diese Gefühle und Aussprüche ganz und gar.
Nachdem mein Bruder zu Kopenhagen nun über 1 1 / 2 Jahr lang sich wieder mit vielem Eifer der praktischen Medizin, Wundarzneikunst und Geburtshülfe gewidmet hatte, begab er sich im August des Jahrs 1803 abermals nach Hamburg und ließ sich dort als praktischer Arzt nieder.
Seine Verheiratung mit einer Hamburgerin, Friedrike
Dunker,
die an Geist, Bildung und Liebenswürdigkeit unter die ausgezeichnetsten Frauen ihrer Zeit gehört, fiel in das Jahr 1804.
Mein Gang auf die Universität
Meine schon längst gehegte Sehnsucht, mich ganz dem Studium der Natur ergeben zu können, wurde nun auf den Inhalt der Briefe meines Bruders
Georg
aus Schweden den und aus Hamburg immer mehr angeflammt, obgleich er in seinen Briefen nie etwas davon erwähnte, daß ich meine jetzige Lage verlassen solle; aber ich sah, wie er nach so großen Stürmen des Lebens den Anker noch einmal nach der Naturwissenschaft als seiner letzten Hoffnung auswarf, und in solcher hoffte auch ich immer mehr ein neues frisches Leben zu gewinnen, da mir das Leben in meinem jetzigen Gefängnisse schon halb welk geworden.
Der immerwährende Gedanke an meine gepreßte Lage, und wie ich sie ändern sollte, verfolgte mich stündlich und ließ mich auch durch manche Nächte schlaflos liegen, da machte ich in einer Nacht den Reim:
»Wollen dich Gedanken kränken,
Zwinge dich an
nichts
zu denken.«
Diesen Reim sagte ich dann in jener Nacht und in andern Nächten, die schlaflos zu werden drohten, mehr als hundertmal schnell hintereinander her, bis ich wirklich auch an nichts mehr dachte und dann einschlief.
Dieses Mittel gegen schlaflose Nächte wegen kränkender Gedanken gebrauchte ich von da an bis in mein spätestes Alter sehr oft und fand es immer probat.
Noch war ich nicht entschlossen, ob ich das Studium der Medizin, oder ein anderes den Naturwissenschaften auch nahe liegendes Fach ergreifen sollte. Wie herzlich wünschte ich, es möchte noch eine Karlsakademie bestehen, die Unbemittelten eine so freigebige Aufnahme gewährt, und in der meine älteren Brüder ihren Unterricht zur Erleichterung der Eltern erhalten hatten. Sie existierte nicht mehr, und einer Unterstützung durch ein Stipendium hatte ich mich, wie so viele, nicht zu erfreuen. Olim musis, nunc mulis, seufzte ich oft vor mich hin.
In einem Schreiben stellte ich meinem Oheime, dem Kriegsvogte meiner Mutter, dem Landschaftskonsulenten
Kerner,
meine jetzigen Verhältnisse und meine Wünsche für ein anderes Leben vor, aber dem strengen eifrigen Geschäftsmanne erschien ich durch dieses Schreiben nur als ein Phantast, auch stellte er mir den Geldpunkt vor und wies mich zur Ruhe.
Ich schrieb nun an meinen väterlichen Freund
Conz
in Tübingen, der mir schon früher zum Studium irgend einer Wissenschaft zugesprochen und mich vor der Gefahr, Konditor werden zu müssen, gerettet hatte, und setzte ihm mein trübes Leben und meinen Widerwillen gegen meinen jetzigen Stand auseinander. Und nicht umsonst; er drang in mich, zum Studium der Naturwissenschaften nach Tübingen mich zu begeben, zugleich belehrte er meine Mutter und meinen Bruder
Karl,
daß die Kosten eines Studiums in Tübingen, wisse ein junger Mensch zu sparen,
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