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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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keine Grenzen. Auf seinem Totenbette, wo er die Hostie nicht mehr verschlingen konnte, sondern sie wieder mit der Zunge auf die Lippen zurückbrachte, nahm sie dieselbe von den kalten Lippen und verschlang sie in seinem Namen unter Gebet und Tränen.
    Die Wiege meiner Mutter war die schöne, vom Bande des Neckars umschlungene Felseninsel
Laufen.
    Der Dichter
Hölderlin,
dessen Geburtsort auch
Laufen
war, singt von dieser Insel:
    »Heilig ist mir der Ort, an beiden Ufern, der Fels auch, Der mit Garten und Haus grün aus den Wellen sich hebt.«
    Es ist diese Felseninsel im Neckar, der hier kristallhell und rieselnd dahinzieht, mit ihrem alten Turme, an den sich das Haus, in dem meine Mutter geboren war (das Oberamteigebäude), lehnt, mit der ihr gegenüber liegenden Kirche und alten Kapelle der heiligen Regiswindis, einer der schönsten Punkte unseres Vaterlandes.
    Ihr Vater war hier im Jahre 1751 Oberamtmann, er hieß
Stockmayer
(geb. 1729), und verwaltete (nachdem er vorher noch Oberamtmann in
Besigheim
und Stadtoberamtmann in
Stuttgart
geworden war) die Stelle eines Kammerprokurators, der seinen Sitz in Stuttgart hatte.
    Es kamen auf mich noch einige Blätter eines von ihm geschriebenen Tagebuchs, dessen Verlust auch für die Geschichte der damaligen Zeit Württembergs recht zu bedauern ist. Selbst diese wenigen Blätter sind Zeugen von seinem vielseitigen Geschäftskreise und großen Fleiße. Als damaliger Stadtoberamtmann in
Stuttgart
machte ihm, bei dem bunten Hofe, Militär und Schauspiel, die Verwaltung der Polizei viel zu schaffen, und er führt davon merkwürdige Beispiele in seinem Tagebuche an. Als im Jahre 1762 ein Brand im Schlosse zu Stuttgart ausbrach, traf er alle möglichen Anstalten zur Rettung des Lusthauses und der Kasernen. Es war dieses Lusthaus ein merkwürdiger Bau, an dem der berühmte Baumeister
Schickhardt
noch als Anfänger Teil hatte. In ihm war seit 1750 das Opernhaus eingerichtet. Schade, daß dieses Altertum in der neuesten Zeit bei einem Neubau des Theaters gänzlich zerstört werden mußte. Auch zur Verschönerung Stuttgarts trug er während seiner Amtsverwaltung bei. So erzählt er z.B. in dem noch vorhandenen Fragmente seiner Lebensgeschichte: »Da die öffentlichen Spaziergänge und Gärten in Stuttgart meistens eingegangen, so war ich darauf bedacht, wie diese in möglichster Kürze der Residenz verschafft werden möchten. Ich erwählte hiezu nach meinem eigenen Einfall den Platz vor dem Büchsentore, der vorher alleinig für die Schweine und den großen Kutter destiniert und ein wüster und unebener Platz war. Die Stadt ließ solchen planieren. Serenissimus geruhten auf meinen Bericht ein Stück von den herrschaftlichen Seegassen-Wiesen hiezu verabfolgen zu lassen. Die hiesigen Honoratioren stifteten auf meine Requisition hiezu die meisten wilden Kastanien- und Lindenbäume, und solcher Gestalt wurde aus einem wüsten Platze eine Allee von Linden- und Kastanienbäumen angelegt, die bisher wohl reüssiert hat.« –
    Die Pflanzung der Bäume geschah von ihm im Jahre 1764. Als Kammerprokurator hatte er bei den damaligen vielen Finanz-Verlegenheiten des Herzogs über manche schwere Geschäfte zu klagen und wurde zu vielseitigen diplomatischen Sendungen gebraucht. Man wird nicht sagen können, daß mein Glaube an Besessensein und Heilung durch Gebet ein Familien-Erbgut sei, wenn ich aus den Fragmenten seines Tagebuchs ein Urteil über die damaligen so berühmten Heilungen des Exorzisten
Gaßner
wörtlich anführe:
    »Den 26. Martius 1775 bin ich mit dem Herrn Reichsprälaten (es war von Neresheim aus, wo er in einer finanziellen Angelegenheit zu dem daselbst regierenden Reichsprälaten geschickt worden war) und dem Regierungsrat
Stieger
nach Ellwangen gefahren, um den Herrn Pater
Gaßner
daselbst, der wegen Austreibung der Teufel und Heilung derer Kranken alleinigst mittelst Anrufung des heiligen Namens Jesu so viel und großes Aufsehen gemacht hat, zu sprechen, und seine Wunderkuren mit anzusehen. Ich habe mich allda zwei Tage aufgehalten, und den Kuren, die er vorgenommen hat, genau zugesehen, dabei aber die große Macht des Aberglaubens beobachtet und bewundert.«
    Er starb vor meiner Geburt, aber mein ältester Bruder Georg erlebte ihn noch als Knabe und schreibt von ihm:
    »Ich sah ihn nur, als ich noch ein kleiner Knabe war, aber noch lebt sein Bild in meiner Seele. Er war ein Mann von unbeschreiblich sanftem Gemüte, voll unaussprechlicher Liebe für die Seinen. Sein Haus,

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