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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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denn er schrieb in der Vorrede an seinen Sohn:
    »Du bist 14 Monate alt, ich bald zweiundvierzig Jahre, wir werden uns schwerlich kennen lernen. Ein hartes Zeitalter kürzte meine Existenz, ein besseres wirst Du erleben. Weile dann bei der Asche Deines Vaters, ehre durch eigene Tugend das Andenken deiner Eltern und Voreltern, und empfange als Vermächtnis einzelne Bruchstücke aus meinem Leben, so weit als mein Gedächtnis hinreicht, unterstützt durch die Trümmer meiner Tagebücher; benütze, mein teures Kind, die von mir oft teuer bezahlten Erfahrungen und erblicke in diesem Geschenk einen Beweis meiner väterlichen Liebe. O, mein Sohn! warum muß ich an das Grab denken, jetzt, wo ich dich noch auf meinem Schoße trage? Doch so will es das Geschick, und es frommte zu nichts, gegen seine Ratschläge zu murren.« – Aber auch diese seine Lebensgeschichte zu schreiben war ihm nicht mehr vergönnt; er brachte sie nur auf wenige Blätter, und seine Tagebücher wurden ein Raub schon eines früheren Brandes zu
Hamburg,
im Herbste 1822.
    Aus wenigen von ihm geschriebenen Blättern und Erinnerungen seiner Freunde und Zeitgenossen sind von ihm folgende Erzählungen zu machen:
    Er war von einer außerordentlichen Beweglichkeit und Lebendigkeit des Geistes und des Körpers. Von dem Vater erhielt er eine sehr strenge Erziehung, und er klagte noch in späterer Zeit über die harten körperlichen Züchtigungen, die er von ihm erleiden mußte.
    Wie sein späteres Leben bei dieser Lebendigkeit des Geistes und Körpers einen furchtlosen entschlossenen Charakter zeigte, so bewies er solchen schon in früher Jugend, wovon gleichfalls folgende Züge Beweise sind:
    Wir hatten zu
Ludwigsburg
ein ausgemauertes Familienbegräbnis. Als die Mutter meines Vaters starb, gab mein Vater dem dazumal ungefähr zehnjährigen Knaben auf, auf den Kirchhof zu gehen und dem gerade am Grabe beschäftigten Totengräber irgend etwas in Hinsicht auf die Begräbnisstunde auszurichten. Der Knabe kam im Augenblicke an, wo der Totengräber den Kopf unseres Großvaters ausgrub. Da nahm der Knabe sogleich den Kopf wie einen freudigen Fund, und in der Meinung, dem Vater dadurch das größte Vergnügen zu machen, überraschte er denselben in der Schreibstube damit. Es ist natürlich, daß der Vater ihn mit demselben nach vorangegangenen starkem Verweise und Belehrung zur Ruhestätte zurückschickte, dem Knaben aber blieb unbegreiflich, warum der Vater keine Freude an dem Kopfe seines Vaters gehabt hatte.
    Schon damals befand er sich in der Akademie, in welche er bereits in seinem achten Jahre kam. Als ein siebzehnjähriger Jüngling aus der Akademie in die Vakanz gekommen, bestieg er bei einem ganz im Brande stehenden Hause eine Leiter, auf die sich kein Mensch mehr wagen wollte, und brachte mit höchster Gefahr seines Lebens ein Kind, einen Knaben, aus den Flammen hernieder. Es ist merkwürdig und traurig, daß derselbe Knabe, zum Manne gereift, einen schauerlichen Mord beging und zu Ludwigsburg mit dem Schwerte hingerichtet wurde.
    Schon mehrere Jahre vor meiner Geburt hatte mein Bruder Georg die Karlsakademie in Stuttgart bezogen, die damals in ihrer schönsten Blüte war; sie wurde der Gegenstand seines sehnlichsten Verlangens, indem er der strengen väterlichen Erziehung müde war. Sein beweglicher Geist hatte ihn zum Militärstande bestimmt, allein dies war gegen des Vaters Willen, der aus ihm einen praktisch tüchtigen Mediziner und Chirurgen bilden wollte, und nach dessen Wunsche mußte er auch seine Studien in der Akademie einrichten, oft aber durchbrach sein freier Sinn den strengen militärischen Charakter dieser Anstalt.
    Einer seiner Lieblingsgedanken war, sich nach Vollendung seiner Studien als Arzt auf ein die Welt umsegelndes Schiff zu begeben, auch schwebte ihm immer Surinam als der Ort seines künftigen Wirkungskreises vor. In dieser Hoffnung hatte er schon früher seinen Körper auf alle Weise abgehärtet und sich jeder Entbehrung unterworfen, und ich erinnere mich, daß er in den Vakanzen, in denen er in das väterliche Haus zurückkam, sich nie einer Bettlade bediente, sondern immer in einer Hängmatte schlief, die er an der Decke seines Zimmers aufgehängt hatte. Die französische Revolution, die so vieles änderte, gab auch ihm eine andere Richtung.
    Mit ihm befanden sich zu gleicher Zeit der nachherige Professor
Pfaff
(jetzt noch in Kiel lebend) und
Reinhold,
nachheriger holländischer Diplomat, in dieser Anstalt; besonders schloß er

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