Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
der untern Allee, auf einen Stein gefallen; es war aber ein Schlag, der ihn auf dem Pferde traf.
Es lief alles dem Platze zu.
Ich sah ihn nicht mehr, man hatte ihn schon tot in das Schloß getragen. Viel Volk stand auf dem Platze, auf dem er fiel, herum, und ein Maurersjunge, der gerade von dem Geschäfte kam, grub mit seinem Zweispitz in den Stein, auf den der Herzog gefallen war, ein Kreuz ein, das noch zu sehen ist. Später, ungefähr in meinem zwölften Jahre, dichtete ich folgende Verse auf dieses Ereignis.
»Als der gute Ludwig hoch vom Pferde
Tot gesunken auf die harte Erde,
Nahet trauernd sich ein Maurersjunge:
Er will klagen, doch es stockt die Zunge,
Aber schnelle bauen seine Hände
Ihm das schönste aller Monumente,
Denn sie hauen in den Pflasterstein
Fromm des Kreuzes heilig Bildnis ein.«
Die Gutmütigkeit und der fromme Glaube des Herzogs Ludwig wurden übrigens oft mißbraucht. Hievon nur ein sehr buntes Beispiel: Ein alter versoffener Schuhmacher aus der Stadt, lutherischer Konfession, kam auf den Gedanken, Buße zu tun und ein frommer Einsiedler zu werden. Zu diesem Behufe brach er sich in dem Steinbruch vor dem Tore, das nach Eglosheim führt, ein geräumiges Loch und richtete sich in demselben eine Einsiedlershütte ein; diese schmückte er mit einem Kreuze und Marienbilde, einer brennenden Öllampe und einigen katholischen Gebetbüchern aus. Es fand bald dahin ein großer Zulauf von Neugierigen statt; ja, es gab sogar manche, die sich an dieser Erscheinung erbauten.
Bald wurde die Sache auch am Hofe bekannt. Einige alte fromme Hofdamen wallfahrteten hin; diese erzählten der Frau Herzogin Wunder von dem frommen Büßer, seinen inbrünstigen Gebeten, seinen Kasteiungen. Gerührt davon, entschloß sie sich (es hieß in Begleitung des Herzogs?), selbst einen Besuch in der Einsiedlershütte zu machen. Erbaut von den frommen Äußerungen und der Buße des Mannes, wurden die Besuche öfters wiederholt, wobei jedesmal ein reichliches Almosen hinterlassen wurde; ja, die Herzogin beschickte den Darbenden oftmals mit Speisen aus der Hofküche. Die Täuschung dauerte mehrere Wochen lang, bis der fromme Einsiedler den versoffenen Schuhmacher in sich nicht mehr länger unterdrücken konnte. Er fing von der gesammelten Barschaft wieder nach alter Weise zu saufen an, worauf mein Vater von Polizei wegen durch seine Entfernung aus dem Steinbruche und seine Aufhebung im Armenhause der Sache ein Ende machte.
Meine Voreltern
Ich kehre zu meiner Familie zurück. Meine Voreltern, wie aus dem Stammbaume meines Vaters erhellt, waren im romantischen Kärnten angesiedelt; wir haben aber nur noch nähere Nachricht von denen, die dort kurz vor und zu den Zeiten der Reformation lebten. Der älteste
Kerner,
von dem wir Nachricht haben, hieß
Michael,
und war Rat und Finanzbeamter des Kaisers Maximilian, der ihn seiner Verdienste wegen nobilitierte und ihm das noch von der Familie gebrauchte Wappen erteilte.
Die Nachkommen, unbegütert und meistens im Dienste der Kirche und des Staats, machten von dieser kaiserlichen Gnade keinen Gebrauch. Michaels beide Söhne, von denen der ältere Michael, der jüngere Balthasar hieß, hatten sich dem geistlichen Stande gewidmet, aber das Licht der Reformation lockte sie zu
Luther
nach Wittenberg. In ihr Vaterland zurückgekehrt, suchten sie den lutherischen Katechismus einzuführen, wurden aber von da vertrieben, flohen nach Württemberg, und der ältere, Michael, von dessen Linie wir stammen, wurde Prediger und Rektor zu Schwäbisch Hall, der jüngere Bruder Prediger am Münster zu Ulm, wo ihm ein Sohn im Amte nachfolgte, der aber keine Kinder hinterließ.
Mein Großvater (geb. im Jahre 1704) war in seiner Jugend Rat zu Hechingen. Als nach dem unerwarteten Tode des Fürsten dessen Maitresse die Schätze des Landes über die Grenze bringen wollte, ließ er sie arretieren.
Er entzweite sich darüber mit dem gewissenlosen Administrator und wurde gewalttätig auf die Feste Hohentwiel verwiesen, aber nach einigen Monaten von dem aus Wien zurückgekehrten Sukzessor befreit, gerechtfertigt und, durch seine Empfehlung an den württembergischen Hof, zum Oberamtmann in Göppingen ernannt, in welcher Stadt mein Vater im Jahre 1744 geboren wurde.
Im Jahre 1730 wurde mein Großvater Vogt (oder Oberamtmann, wie man es später hieß) in Ludwigsburg.
Bekanntlich wurde diese Stadt vom Herzog Eberhard Ludwig in einer Gegend erbaut, in der er sich öfter der Jagd wegen
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