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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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hier mit letzterem ein Freundschaftsbündnis, das nie und durch nichts gestört ward, obgleich beide noch Knaben waren, als sie sich trennten, er 14 Jahre,
Reinhold
13 Jahre.
Reinhold
verließ die Akademie im Jahre 1784, und sie sahen sich erst wieder im Jahre 1795 in Hamburg 1 .
    Meines Georgs Freund
Pfaff
schrieb aus den Zeiten der Karlsakademie Nachstehendes von ihm:
    »Ich lernte
Kerner
erst, seitdem er Chevalier – Ritter eines akademischen Ordens, der den Ausgezeichnetsten in ihren Studien erteilt war, kennen. Er war eine Lehrabteilung vor mir voraus. Hier knüpfte sich bald ein inniges Band der Freundschaft. Er zeichnete sich schon damals durch seine große praktische Tendenz und Tatkraft aus. Müßige theoretische Untersuchungen waren nicht seine Sache. Er war schon ein
glücklicher
und berufener praktischer Arzt, als er kaum ein Jahr Medizin studiert hatte. Er wollte sogleich seine Kenntnisse zum Nutzen seiner Mitmenschen anwenden. Feinere Anatomie, ferner Chemie, Botanik kümmerten ihn wenig, aber wohl interessierte ihn z.B. die gewöhnliche Apotheken-Chemie, wie sie zum richtigen Aufschreiben von Rezepten notwendig ist. Seine außerordentliche Lebendigkeit und Unruhe machten ihm den praktischen Wirkungskreis zum Bedürfnis. Den größten Einfluß auf seine Studien äußerte indes die französische Revolution. Geschichte war es, was ihn am meisten anzog. Alles bezog er von nun an auf die Ausbreitung und Realisierung der großen Grundsätze, welche die französische Revolution aufgestellt hatte, in allen Verhältnissen. Dadurch wurden freilich seine eigentlichen medizinischen Studien noch mehr gestört, doch seine medizinische Praxis nicht, da er auf Menschen zu wirken keine bessere Gelegenheit kannte. Die Geschichte seiner Promotion 1791 ist interessant. Er hatte weder Zeit noch Lust, eine Dissertation zu schreiben; seine Freunde übernahmen diese Mühe. Es wurden einige dreißig Paragraphen über Metastasen zusammen fabriziert und ungefähr drei oder vier Krankengeschichten als Beilage erdichtet, und der Zweck so vollkommen erreicht, als wenn Boerhaave oder Haller selbst die Feder geführt hätten. Nach geschehener Promotion hielt der feurige Republikaner eine deutsche Rede zum Abschiede, was ganz ungewöhnlich war, in welcher er einen Überblick der Geschichte gab und die großen Ereignisse verkündigte, die Europa bevorständen.
    Aus unserm Zusammenleben als Chevaliers verdient noch eine Maskenvorstellung auf einer großen öffentlichen Maskerade Erwähnung, in welcher von vier gleichgesinnten Jünglingen in Gegenwart der vielen emigrierten Adeligen, die sich damals in Stuttgart befanden und namentlich auch der Grafen von Artois – der Brüder des jetzigen Königs – der Prinzen von Bourbon usw. die Abschaffung des Adels pantomimisch dargestellt wurde. Einer von uns, selbst ein Edelmann (Herr v. Marschall), jetzt erster Minister eines angesehenen deutschen Fürsten (Nassau), repräsentierte den Adel und hatte zu Emblemen einen großen Stammbaum, eine Menge Wappen, mit denen er behängt war. Kerner, ein junger Schweizer, Peters, und ich stellten, mit den drei Nationalbändern geschmückt, die französische Nation vor, und beraubten unter manchen komischen Szenen den Edelmann aller seiner Wappen, zerrissen seinen Stammbaum und jagten den Kahlen endlich aus dem Saal. Diese Maskenvorstellung machte so viel Aufsehen, daß eine Erwähnung davon in den französischen Zeitungen geschah.
    Die genannten Verbündeten hatten den Scherz ausgeführt, ohne ihre Kameraden vorher davon zu unterrichten, was einige darunter so sehr verdroß, daß sie beschlossen, ihn zu überbieten. Kurz vor der Ausführung erfuhr Kerner noch davon und ließ nun nicht nach mit Bitten, bis ihm gestattet ward, daran teilzunehmen. An dem dazu bestimmten Abende erschien im Redoutensaal eine Maske, die Zeit vorstellend, eine Urne im Arm, die durch ihre Schönheit allgemeines Aufsehen erregte. Stumm durchschritt sie den Saal und setzte sich endlich während des Tanzes auf eine Seitenbank. Kerner setzte sich zu ihr, und lehnte, indem er dem Tanz zusah, den Arm auf die Urne, die die Maske neben sich gestellt hatte. Plötzlich stand diese auf, ohne jene mitzunehmen, und verließ den Saal. Als Kerner sie in Sicherheit wußte, stand auch er auf, und stieß wie aus Ungeschicklichkeit die Urne um. Kaum fiel sie auf den Boden, so entrollten ihr eine Anzahl Zettel, die Menge strömte herbei, jedes erhaschte davon; sie enthielten die ärgsten

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