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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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entfernte er sich mit dem Buche schnell aus dem Saal. Der Herr, der mich an der Hand hielt und ein Bekannter meines Vaters war, war der als Arzt und Magnetiseur damals sehr berühmte Hofrat
Dr. Gmelin
von Heilbronn. Er sah mich immer sehr mitleidsvoll und liebreich an, und ich faßte ein großes Vertrauen zu ihm; aber noch schien ihn
Matthias
Erzählung vom Nastischen Nilpferd sehr zu beschäftigen;
Matthias
mußte die Aussage seines Vetters wiederholen, und tat das auf eine sehr possierliche Weise, daß alles in lautes Gelächter ausbrach.
    »So geht es doch oft mit uns Gelehrten«, versetzte
Gmelin,
»Blumenbach hielt eine Vorlesung über dieses Tier und erklärte es für keinen Betrug, sondern für eine höchst merkwürdige, bisher noch unbekannt gewesene Pferderasse; und erst kürzlich las ich in einem Berliner Blatte, daß das Tier dort um einen bedeutenden Preis verkauft wurde, und alle Naturforscher sich die Köpfe zerbrachen, was sie aus ihm machen sollten, und das seltsamste Zeug darüber aushecken.«
    Einer der Herren hatte den
Nast
wieder herbeigerufen; da foppten sie ihn alle gar gewaltig mit dem amerikanischen Nilpferd. Er leugnete aber die Sache nicht, sondern erzählte sie ganz gemütlich fast ganz so, wie der Bauer und
Matthias
sie erzählt hatten. »Nun ja«, sagte er zu
Gmelin,
»ich foppte damit nur etwas die Herren Gelehrten, und nun mögen sie mich auch foppen, sie foppen sich selbst damit; wie manchen foppten die Herrn Ärzte schon mit Mitteln, die sie für Heilmittel ausgaben und die es nicht waren!« »Ja, ja«, versetzte
Gmelin,
»da sage ich nichts dagegen!« Bei diesen Worten sah er mich inniger an und sagte dann leise zu mir: »Ja, liebes Kind, auch du wurdest von Ärzten schon sehr gefoppt! Komm mit mir einmal, ich schütte dir keine Arznei ein.« Er führte mich nun eine Treppe empor in ein kleines Zimmerchen von
Nast,
das an den Wänden mit vielen ausgestopften Vögeln verziert war, hieß mich auf einen Stuhl setzen, sah mir mit seinen schwarzen Augen fest ins Auge und fing mich mit seinen ausgereckten Händen vom Kopf bis in die Magengegend zu bestreichen an; er behauchte mir auch mehrmals die Herzgrube. Ich wurde ganz schläfrig und wußte endlich nichts mehr von mir. Ich mag lange schlafend gesessen sein, als ich erwachte und den
Matthias
vor mir sah; der Herr aber war nicht mehr da, und ich sah ihn in meinem Leben nicht mehr. Auch
Matthias
wußte nicht, was der Herr eigentlich mit mir getan; er hatte ihm nur im Weggehen gesagt, er hoffe, daß es sich mit meinem Leiden bessern werde, nur solle man mir keine Arzneien mehr geben. Dies erzählte mir
Matthias
und ich merkte es mir gar wohl für die Zukunft.
    In spätern Jahren begriff ich, daß mich der Herr magnetisiert hatte.
Nast
war so gutmütig, daß er dem
Matthias
die Erzählung vom amerikanischen Nilpferde wohl verzieh, oder hatte er vielleicht nicht gehört, daß solcher sie gemacht; denn er nahm uns noch sehr freundlich zu seinen Tieren mit, nur den Hirsch, der gerade in der Brunft war, bekamen wir nicht zu sehen; dagegen trommelte uns der Hase und schoß eine Kanone los, der Esel kratzte auf
Matthias
Frage: »wie lange lebe ich noch?« nur einmal mit dem Fuße, was dem
Matthias
ein Jahr lang große Unruhe machte. War dies eine geflissentliche Veranstaltung
Nasts,
oder witterte der Esel in
Matthias
einen Verwandten jenes Frachtbauern, der in Frankfurt seinen Rücken bleute, und wollte er durch die Prophezeiung, daß
Matthias
nur noch ein Jahr lebte, an ihm Rache nehmen? wir müssen es unentschieden lassen.
     
Das Rosengärtchen am Kirchhofe
     
    Auf dem Rückwege mußten wir ziemlich eilen, denn es zog ein starkes Gewitter am Himmel auf.
Matthias
schleppte mich durch enge Gängchen zwischen zwei Kirchhöfen hindurch, aus deren einem ein hohes Kreuz von Stein ragte, an das vom Sturme hin und her getriebene Trauerweiden schlugen. In seiner Nähe außer der Mauer setzte ich mich schlaftrunken auf einen Stein.
Matthias
fürchtete sich vor Gewittern und sagte im Scherze, er wolle mich da sitzen lassen; das brachte mich wieder auf die Beine. Wir waren an einem Gartentore vorübergegangen, über dasselbe war eine Rose, der die Blätter abfielen, eingegraben, und unten waren in lateinischer Sprache die Worte eingehauen: »Schaue mich an und denke dein!« In spätern Zeiten wurden diese Kirchhöfe vereinigt und es verschwanden die Gängchen zwischen ihnen. Dagegen sah man an ihrem Ende ein gar liebes Gärtchen, das ein Blumenfreund

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