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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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vestalischen Schwur zu brechen, während der Kassierer den Kopf in die Tür steckte: »Kind, Kind, zwei Gruppen warten schon, beeil dich - die römischen Kindergräber sind ja fast ein Kassenschlager«, lächelnd an die Barriere getreten, die Frage nach Nationalität und Muttersprache: vier sprachen Englisch, einer Französisch, eine Holländisch und diesmal sechs Deutsche; die Stablampe gesenkt wie einen Degen, stieg sie in die dunkle Gruft hinab, von uraltem Liebeskult zu künden, uralten Todesschmerz zu entziffern.
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    Marianne weinte noch, als sie an der Schlange der Wartenden vorbei nach draußen gingen; beschämt wandten wartende Deutsche, Engländer und Holländer sich von dem
    Mädchengesicht ab; welch schmerzliches Geheimnis bargen die dunklen Keller dort unten? Wo hatte man je gelesen, daß Kulturdenkmäler Tränen hervorrufen konnten? Für sechzig Pfennig solch tiefe Bewegung, wie man sie im Kino nur nach sehr schlechten und nach sehr guten Filmen auf einzelnen Gesichtern bemerkte?
    Konnten Steine tatsächlich den einen zu Tränen rühren, während andere kaltblütig frischen Kaugummi in ihre Münder schoben, gierig Zigaretten anzündeten, in ihren
    Blitzlichtkameras den nächsten Film knipsbereit drehten, das Auge schon spähend aufs nächste Objekt gerichtet: Giebel eines bürgerlichen Wohnhauses aus dem fünfzehnten Jahrhundert, gleich dem Eingang gegenüber; knips, schon war der Giebel auf chemischer Basis verewigt...
    »Langsam, langsam, meine Herrschaften«, rief der Kassierer von drinnen, »infolge des außerordentlichen Andrangs haben wir uns entschlossen, an einem Rundgang anstatt zwölf fünfzehn Besucher teilnehmen zu lassen; ich darf die nächsten drei Herrschaften bitten - sechzig der Eintritt, einszwanzig der Katalog.«
    Immer noch an der Schlange der Wartenden vorbei, die sich an der Hausmauer entlang bis zur Straßenecke hin aufgestellt hatte; immer noch zeigte Mariannes Gesicht die Tränen, mit einem Lächeln erwiderte sie den heftigen Druck von Josephs Arm, dankte mit einem zweiten Lächeln für Ruths Hand auf der Schulter.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte Ruth, »es sind nur noch zehn Minuten bis sieben, wir dürfen sie nicht warten lassen.«
    »In zwei Minuten sind wir da«, sagte Joseph, »wir kommen schon pünktlich; Mörtel - der Geruch soll mir wohl auch heute
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    nicht erspart bleiben - und Beton; wißt ihr übrigens, daß sie diese Entdeckung da unten Vaters Sprengeifer verdanken; als sie die alte Wache wegsprengten, brach unten ein Gewölbe durch und öffnete ihnen den Weg zu den alten Klamotten; es lebe das Dynamit - wie findest du übrigens unseren neuen Onkel, Ruth, spricht die Stimme des Blutes zu dir, wenn du ihn siehst?«
    »Nein«, sagte Ruth, »die Stimme des Blutes spricht nicht zu mir, aber ich finde ihn nett; etwas trocken, etwas hilflos - wird er bei uns wohnen?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Joseph, »werden wir auch dort wohnen, Marianne?«
    »Du willst in die Stadt ziehen?«
    »Ja«, sagte Joseph, »ich will Statik studieren und in das ehrenwerte Geschäft meines Vaters eintreten, gefällt dir das nicht?«
    Sie überquerten eine belebte Straße, gingen in einer stilleren weiter, Marianne blieb vor einem Schaufenster stehen, löste sich aus Josephs Arm, schüttelte Ruths Hand ab und betupfte ihr Gesicht mit einem Taschentuch; Ruth strich sich übers Haar, zupfte ihren Pullover zurecht.
    »Ob wir elegant genug sind?« fragte sie. »Ich möchte Großvater nicht kränken.«
    »Ihr seid elegant genug«, sagte Joseph. »Wie gefällt dir mein Plan, Marianne?«
    »Es ist mir nicht gleichgültig, was du tust«, sagte sie, »Statik zu studieren ist sicher gut, fragt sich, was du mit deinen Kenntnissen anfangen willst.«
    »Bauen oder sprengen, ich weiß es noch nicht«, sagte Joseph.
    »Dynamit ist doch sicher veraltet«, sagte Ruth, »es gibt bestimmt bessere Mittel; weißt du noch, wie lustig Vater war, als er noch sprengen durfte? So ernst ist er eigentlich erst,
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    seitdem es nichts mehr zu sprengen gibt... wie findest du ihn, Marianne? Magst du ihn?«
    »Ja«, sagte Marianne, »ich mag ihn sehr; ich hatte ihn mir schlimmer vorgestellt, kälter, und ich hatte fast Angst vor ihm, bevor ich ihn kannte, aber ich glaube, Angst ist das, was man am wenigsten vor ihm zu haben braucht; ihr werdet lachen, aber ich fühle mich geschützt in seiner Nähe.«
    Joseph und Ruth lachten nicht; sie nahmen Marianne in die Mitte und gingen weiter; vor der Tür zum Cafe

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