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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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nicht, wie böse die Welt ist, und ich verlange heute noch ein großes Opfer von dir: sag die Feier im Cafe Kroner ab, zerstör die Legende, fordere nicht deine Enkel auf, dein Denkmal zu bespucken, sondern verhindere, daß du eins bekommst; Paprikakäse hat dir doch nie geschmeckt -
    sollen die Kellner und Küchenmädchen sich an die Festtafel setzen und dein Geburtstagsmahl verzehren; wir bleiben hier auf diesem Balkon, genießen den Sommerabend im Kreis der Familie, trinken Wein, schauen dem Feuerwerk zu und sehen
    -273-

    uns den Aufmarsch der Kämpfenden an; wogegen kämpfen sie?
    Soll ich ans Telefon gehen und im Kroner absagen?«
    Schon sammelten sich am Portal von Sankt Severin blau Uniformierte, standen rauchend in Gruppen, trugen blau-rote Fahnen mit einem großen schwarzen K darauf; schon probte das Blasorchester das Lied: ›Vaterland, es knirscht in deinem Gebälk‹; Weingläser klirrten leise auf den Balkonen, Sektkübel tönten metallisch, Pfropfen knallten ins abendlich dunkle Blau des Himmels; die Glocken von Sankt Severin läuteten Viertel vor sieben; drei dunkelgekleidete Herren traten auf den Balkon von Zimmer 212.
    »Glauben Sie wirklich, daß sie uns nützen können?« fragte M.
    »Ich bin sicher«, sagte der eine.
    »Kein Zweifel«, sagte der andere.
    »Aber werden wir nicht mehr Wähler verärgern, als wir durch eine solche Sympathiebezeugung gewinnen?« fragte Herr M.
    »Der Kampfbund ist als nicht radikal bekannt«, sagte der eine.
    »Verlieren können Sie gar nichts«, sagte der andere, »nur gewinnen.«
    »Wieviel Stimmen sind es? Optimal und im ungünstigsten Falle?«
    »Optimal an die achtzigtausend, im ungünstigen Fall an die fünfzigtausend. Entschließen Sie sich.«
    »Ich bin noch nicht entschlossen«, sagte M., »ich warte noch auf Weisung von K. Glauben Sie, daß es uns bisher gelungen ist, der Aufmerksamkeit der Presse zu entgehen?«
    »Ist gelungen, Herr M.«, sagte der eine.
    »Und das Hotelpersonal?«
    »Absolut diskret, Herr M.«, sagte der andere. »Die Weisung von Herrn K. müßte bald kommen.«
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    »Ich mag diese Burschen nicht«, sagte Herr M., »sie glauben an etwas.«
    »Achtzigtausend Stimmen dürfen getrost an etwas glauben, Herr M.«, sagte der eine.
    Lachen. Gläserklirren. Telefon.
    »Ja, hier M. Habe ich recht verstanden? Sympathie bezeigen?
    Gut.«
    »Herr K. hat sich positiv entschieden, meine Herren, stellen wir unsere Stühle und den Tisch auf den Balkon hinaus.«
    »Was werden die Ausländer denken?«
    »Sie denken sowieso das Falsche.«
    Lachen, Gläserklirren.
    »Ich werde hinuntergehen und die Aufmerksamkeit des Umzugsleiters auf Ihren Balkon lenken«, sagte der eine.
    »Nein, nein«, sagte der Alte, »ich will nicht in deinem Schoß liegen, nicht in den blauen Himmel hineinsehen; hast du denen im Cafe Kroner gesagt, daß man Leonore hierher schickt? Sie wird enttäuscht sein; du kennst sie nicht; Roberts Büroangestellte; ein liebes Kind, sie soll nicht um ihr Fest kommen; ich hab kein reines Herz und weiß genau, wie böse die Welt ist; ich fühle mich fremd, fremder als damals, wenn wir in den Anker am oberen Hafen gingen und dem Kellner, der Groll hieß, das Geld brachten; da unten formieren sie sich zum Aufmarsch - warmer Sommerabend, Dämmerung, Lachen klingt herauf - soll ich dir helfen, Liebste? Du weißt wohl nicht, daß du im Taxi die Handtasche auf meine Knie gelegt hast; schwer ist sie, aber nicht schwer genug - was willst du eigentlich mit dem Ding?«
    »Ich will den Dicken da auf dem Schimmel erschießen. Siehst du ihn, kennst du ihn noch?«
    »Glaubst du, ich würde ihn je vergessen? Er hat das Lachen in mir getötet, hat die verborgene Feder im verborgenen Uhrwerk
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    zerbrochen; er hat den blonden Engel hinrichten lassen, Ediths Vater verschleppt, Groll und den Jungen, dessen Namen wir nie erfahren haben; er hat mich gelehrt, daß eine Handbewegung das Leben kostet; er hat aus Otto den gemacht, der nur noch Ottos Hülle war - und trotzdem: ihn würde ich nicht erschießen.
    Ich habe mich oft gefragt, warum ich in diese Stadt gekommen bin; um reich zu werden? Nein, du weißt es; weil ich dich liebte? Nein - denn ich kannte dich noch nicht und konnte dich noch nicht lieben; aus Ehrgeiz? Nein. Ich glaube, ich wollte nur über sie lachen, wollte ihnen am Ende zurufen: es war doch nicht ernst; wollte ich Kinder haben? Ja. Ich hatte sie; zwei starben jung, einer fiel, fremd war er mir, noch fremder als die jungen Herren, die da unten

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