Starke Kinder
Vorwort
Auf dem Weg vom Kindergarten nach Hause bricht es aus Nina heraus: Ich habe keine Freunde. Auf Nachfrage präzisiert sie: Emma und Lili haben gesagt, dass ich keine Freunde hier habe. Sie weint nicht, ist aber sehr, sehr traurig und drückt sich an ihre Mama.
Wenn unsere Kinder leiden, so leiden wir mit ihnen. Eltern und auch Erziehende möchten die ihnen anvertrauten Kinder schützen. Ãbergriffe jeglicher Art können verletzen. Kleine Ãbergriffe, wie der eben geschilderte, führen zu kleinen Verletzungen. Diese sind im Alltag nicht immer zu verhindern. Auch wenn wir auf unsere Kinder achten, werden solche Kränkungen oder auch Raufereien geschehen. Was wir, als Eltern, aber auf jeden Fall verhindern können und wollen, sind Ãbergriffe massiverer Art. Laut verschiedener Studien können Belastungen in der Kindheit, wie sexuelle oder auch körperliche Gewalterfahrungen, lebenslange Folgen haben. So wissen wir, dass Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kindheit ein gröÃeres Risiko haben, weitere Gewalt im Erwachsenenalter zu erfahren. Der Wunsch, die uns anvertrauten Kinder zu schützen, ist groÃ. Um dies tun zu können, müssen wir die Faktoren kennen, die unsere Kinder verwundbar machen und sexuellen Missbrauch ermöglichen. Mit diesem Wissen im Hintergrund können wir aktiv werden und unsere Kinder unterstützen.
Als Therapeuten helfen wir tagtäglich Menschen, die in ihrer Kindheit schweren sexuellen Missbrauch erleben mussten. Immer wieder berichten unsere Patientinnen, was damals vorgefallen war. Das Leid auch der erwachsenen Betroffenen ist greifbar. Sie erzählen, welche Faktoren zu dem Missbrauch geführt haben. Sie thematisieren, was sie daran gehindert hat, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Vor diesem Hintergrund möchten wir zur Prävention von sexuellem Missbrauch beitragen.
Dieses Buch lädt Sie in den ersten Kapiteln ein, sich mit Fakten zum sexuellen Missbrauch auseinanderzusetzen. Erst wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben, können wir dagegen angehen. AnschlieÃend werden Sie eingeladen, sich mit der Entwicklung kindlicher Sexualität auseinanderzusetzen. Kinder haben ihre ganz eigene Form der Sexualität. Diese kann und soll nicht gebraucht oder gar missbraucht werden. Zu einem gesunden Umgang mit der kindlichen Sexualität gehört entsprechendes Wissen um diese.
Im Kapitel 5 werden die Faktoren, die Kinder vor sexuellen Ãbergriffen schützen können oder sie schwächen, zusammengefasst. In den folgenden Kapiteln werden diese Faktoren aufgegriffen. Praktische Ãbungen können Ihnen helfen, mögliche Schwachpunkte zu erkennen und Ihre Kinder zu stärken.
In den letzten Kapiteln dieses Ratgebers wird der Umgang mit dem Verdacht eines sexuellen Missbrauchs thematisiert. Häufig löst ein Verdacht Unsicherheit aus. Welche Hinweise es auf einen sexuellen Missbrauch geben kann und welche Möglichkeiten Eltern bei einem solchen Verdacht zur Verfügung stehen, werden in diesen Kapiteln besprochen.
Dieses Buch versucht, die Situationen zu beschreiben, in denen Kinder Opfer von Gewalt werden. Es soll Gründe aufzeigen, wie es zu solchen Situationen kommen kann und warum sie bisweilen lange andauern können, ohne dass das betroffene Kind darüber spricht oder Hilfe sucht. Es versucht, Eltern und Erzieher in Bezug auf Risikosituationen wachsam zu machen. Eines jedoch ist sehr wichtig: Auch wenn wir als Eltern alle aufgezeigten Punkte beachten, gibt es keine absolute Sicherheit. Das Kind kann Opfer von Gewalt werden, obwohl wir alles tun, um es zu schützen. Auch der Zufall spielt dabei häufig eine Rolle. Aus anderer Perspektive bedeutet dies, dass Eltern, deren Kinder Opfer von Gewalt geworden sind, daran nicht automatisch Schuld tragen.
Unser Dank gilt allen, die an der Entstehung des Buches beteiligt waren. Für das kritische Gegenlesen, Testen der Ãbungen und Anmerken möchten wir uns insbesondere bei Maria Hinckers, Meike Beier, Michaela Göhrlinger, Christina Peter-Brutscher, Charlotte WeÃlau, Katharina Hinckers, Heribert Hinckers, Christopher Dyer, Matilda Dyer und Katharina Dyer bedanken. Ganz wesentlich zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben unsere Patienten. Indem sie ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben, konnten wir lernen. Hierfür danken wir vielmals.
Mannheim und Frankfurt, im Frühjahr 2012
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Anne Dyer
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Regina Steil
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