Bille und Zottel 15 - Pferde im Schnee
abzulecken, dabei begrüßte sie ihr jüngstes Kind mit zärtlichem Brummen. Es dauerte nicht lange, und die Stute stand auf. Sofort probierte das Fohlen, es ihr gleichzutun, es stemmte die Vorderbeine weit gespreizt ins Stroh, reckte Hals und Kopf und versuchte, den Hinterkörper anzuheben. Die ersten dreimal plumpste es auf halbem Wege unsicher in die weiche Streu zurück, aber dann stand es, noch schwankend, aber hochaufgerichtet, neben seiner Mutter Sinfonie.
„Du, Simon, ich werd’ verrückt! Ein Stutfohlen! Sinfonie, du hast deine erste Tochter! Ein bildschönes Fuchsstütchen mit einer schmalen Blesse!“ Bille war vor Freude ganz durcheinander. „Ein Stutfohlen! Ein Sonntagskind! Und ich hab geglaubt, sie bringt sicher wieder ein Hengstfohlen. Kleines Mädchen, wie nennen wir dich? Wie wär’s mit Serenade? Oder Sonate?“
„Da weiß ich was Besseres!“ Simon sah seine Freundin vielsagend von der Seite an.
„Was denn? Nun sag schon!“
„Sibylle. Nach ihrer Geburtshelferin.“
„Oh, dann könnten wir sie genausogut Simone nennen!“
„Oder Simonetta.“
„Sinfonie, du hörst: Du mußt noch mindestens vier Stutfohlen bekommen für all die schönen Namen!“ rief Bille lachend.
„Für diesmal jedenfalls bleibt’s bei Sibylle. Natürlich nur, wenn Hans Tiedjen einverstanden ist.“
Bille und Simon versorgten Mutter und Kind, desinfizierten den Nabel des Fohlens, säuberten die Box von den Spuren der Geburt und beobachteten begeistert, wie das Neugeborene nach dem Euter der Mutter suchte und die ersten Schlucke tat. Lange standen sie schweigend an der Box und sahen den beiden zu. Die Welt draußen war für sie versunken, alles andere vergessen. Plötzlich sah Bille erschrocken auf die Uhr.
„Du lieber Himmel, Simon! Black Arrow! Sindy! Und das Fest. . ., es hat bereits angefangen. Und ich bin noch nicht einmal umgezogen!“
„Das macht nichts, wir haben mildernde Umstände. Wir bringen Black Arrow in die Box zurück, Sindy werde ich heute abend noch longieren. Jetzt wird erst einmal gefeiert!“
Als sie wenig später, immer noch in ihrem Reitdreß, die festlich geschmückte Aula betraten, war Hans Tiedjen eben dabei, seine Begrüßungsrede zu halten. Vor sich hatte er einen großen Kasten, dessen Deckel er jetzt entfernte.
„Ich will keine weiteren Worte machen!“ sagte er und sah in die Runde. „Wir alle wissen, was ihr in den Tagen der Schneesturm-Katastrophe geleistet habt. Deshalb habe ich hier ein kleines Erinnerungsgeschenk für jeden von euch, die angekündigte Überraschung. Ich habe sie für euch entwerfen und anfertigen lassen: das Groß-Willmsdorfer Wappen als silberne Plastron-Nadel gearbeitet und das Datum dieser denkwürdigen Tage eingraviert. Ein paar von euch bekommen diese Nadel vergoldet. Das sind die, die in beispielhaftem Einsatz unsere Fohlen aus den Schneeverwehungen gerettet haben. Ich denke, sie haben sich diese kleine Bevorzugung redlich verdient. Ich werde nun. . .“ Beifall hinderte Hans Tiedjen am Weitersprechen. „Danke. Ich werde euch nun einzeln aufrufen und bitten, zu mir heraufzukommen, um eure Nadel in Empfang zu nehmen. Als erste — denn sie war als erste zur Stelle, hat die ersten beiden Fohlen befreit — unsere Bille. Ist sie inzwischen da?“
„Hier!“ Bille sprang in großen Sätzen nach vorn und aufs Podium. Dann wandte sie sich den Zuschauern zu. „Ich muß mich bei euch entschuldigen. Ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen, denn ich hatte noch zu tun: mit meiner Überraschung für Daddy. . ., für unseren verehrten Hans Tiedjen. Und bevor ich meine Nadel in Empfang nehme, bekommt er sein Geschenk: eine Locke von unserem Sonntagsfohlen, der eben geborenen Tochter von Sinfonie! Herzlichen Glückwunsch, Daddy! Sie wird ein Traumpferd werden!“
Simon war neben Bille aufs Podium gestiegen.
„Und das Fohlen heißt. . .“, er riß Billes rechten Arm in die Höhe, „wie könnte es anders sein: Sibylle!“
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Caspari, Tina:
Bille und Zottel/Tina Caspari. — München: F. Schneider.
Teilw. mit d. Erscheinungsorten München, Wien. — Teilw. mit d. Erscheinungsorten München, Wien, Hollywood/Florida, USA. — Teilw. mit d. Erscheinungsorten München, Wien, Zürich, Hollywood/Fla., USA. — Teilw. mit d. Erscheinungsorten München, Wien, Zürich.
Bd. 15. Pferde im Schnee. — 1989
ISBN 3-305-09906-6
Hrsg. Helga Wegener-Olbricht
© 1989 by Franz Schneider Verlag GmbH
Frankfurter Ring 150
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