Bille und Zottel 15 - Pferde im Schnee
durch.
„Wir müssen quer über die Felder, da, wo sie am höchsten liegen“, schlug Bille vor. „Da hat der Sturm den Schnee ganz gut weggeputzt.“
Sie hatte recht . Als sie die Pferde auf die blankgefegte Strecke leiteten, stellte sich heraus, daß die Schneehöhe kaum über vierzig Zentimeter ging, nur in den Niederungen hatten sie größere Mühe durchzukommen. Inzwischen hatten sich die Wolken verzogen, ein strahlend blauer Winterhimmel spannte sich wie ein Seidentuch über ihren Köpfen, und die feinen Kristalle zu ihren Füßen glitzerten wie ein Teppich aus winzigen Brillanten. Bille atmete tief ein. Hatte sie je etwas so Schönes gesehen? Diese weite weiße Fläche, nur verstreut Bäume, Büsche oder Häuser unter Schnee verborgen und fern am Horizont das dunkelblaue Band der Ostsee. Sie hätte am liebsten laut geschrieen.
Auf dem Wiedenhof erwarteten die jungen Reiterinnen strahlende Gesichter. Die Kinder winkten ihnen schon von weitem entgegen. Die Frauen waren immer noch dabei, den Hof so gut es ging freizuschaufeln; Schweiß rann ihnen von den Gesichtern.
„Ein Segen, daß ihr da seid!“ begrüßte sie Frau Krumm. „Mein Mann ist doch unter der Woche auf Arbeit, der kommt nur am Wochenende. Futter haben wir ja ausreichend, und die Tiere sind versorgt. Aber im Haus ohne Strom? Ein Glück, daß wir den alten Kohleherd noch nicht rausgeschmissen haben, Heiko, mein Mann, wollte das Ding längst in die Müllgrube fahren, aber ich hab immer gesagt ,Heiko‘, hab ich gesagt, ,man kann nie wissen.‘ Da ist jetzt wenigstens die Küche warm. Kommt rein! Wollt ihr ’n Schlückchen Kaffee?“
„Vielen Dank, Frau Krumm“, wehrte Bille ab, „aber wir müssen weitermachen. Wir haben heute noch eine Menge Botengänge zu tun.“
„Aber wir kommen wieder, wenn Sie uns brauchen“, fügte Bettina hinzu. „Verlangen Sie nur den Notdienst Fliegender Huf, dann sind wir zur Stelle. Bis bei Ihnen die Straße wieder frei ist, dürfte es noch eine Weile dauern.
„Wird gemacht. Jedenfalls schönen Dank auch!“
Frau Krumm und die Kinder nahmen ihnen ab, was sie eingekauft hatten, dann machten sich Bille und Bettina mit ihren Pferden wieder auf den Weg.
Die Bezeichnung Notdienst Fliegender Huf machte die Runde. Was Bettina im Scherz gesagt hatte, wurde von den anderen begeistert aufgenommen. Hin und wieder begegneten sie sich im Dorf oder in einem Laden und tauschten ihre Erlebnisse aus. Simon und Sven waren mit den beiden Schlitten unterwegs, holten alte Leute aus einsam gelegenen Gehöften ab, die zum Arzt oder Zahnarzt mußten, fuhren Futtermittel aus oder Dinge, die auf dem Pferd nicht zu transportieren waren. Am Nachmittag geschah es sogar, daß Simon die Hebamme zu einem einzeln liegenden Haus am Waldrand fahren mußte, aber der Hilferuf stellte sich als blinder Alarm heraus, wohl aus der Panik entstanden, dort von der Welt abgeschnitten zu sein.
Die Sonne schien den ganzen Tag über. Und wenn sich die Pferde oft auch unter großer Anstrengung durch den tiefen Schnee arbeiten mußten, der strahlende Himmel ließ alles weniger bedrohlich erscheinen.
„Alles in allem“, sagte Bille am Nachmittag zu Bettina, als die verschneite Landschaft sich unter den Strahlen der untergehenden Sonne goldrot färbte, „gefällt mir so ein Tag wesentlich besser als einer, an dem ich über den Büchern schwitze und pauke.“
„Du hast recht .“ Bettina hielt ihre Haflingerstute neben Zottel an. „Wenn ich auch ganz schön fertig bin. Dreizehn Einsätze! Das soll uns erst einer nachmachen. Aber da hat man doch endlich mal das Gefühl, was Sinnvolles getan zu haben. Und wie geht’s nun weiter?“
„Bei Sonnenuntergang Feierabend, war die Losung.“
„Dagegen habe ich allerdings nicht das geringste einzuwenden.“
Ein Pony auf Krankenbesuch
In der Nacht fiel die Temperatur auf minus zwölf Grad. Die Schneelandschaft erstarrte zu Formen, die an Reisen auf den Mars denken ließen. Allmählich wurden Hilfsdienste und Polizei der Lage Herr; die Einsätze der jungen Reiter wurden nur noch in wenigen Fällen benötigt, meistens, wenn es darum ging, steckengebliebene Autos frei zu bekommen. Der Schulalltag hatte sie wieder.
Auf dem Hof wurden die Schneemassen auf Anhänger geschippt und weggefahren, Reitwege wurden geräumt, damit man den Pferden ein Minimum an Bewegung an der frischen Luft verschaffen konnte; denn der meterhohe Schnee auf den Koppeln war von einer feinen Eisschicht bedeckt, die den empfindlichen
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