Billigflieger
ich trotzdem stinksauer auf dich bin. Du wirst es schon noch merken, wenn wir uns das nächste Mal treffen, um ein paar Dinge zu klären, die wir nun einmal klären müssen. Ich bin die Verliererin in diesem Spiel. Damit muss ich mich abfinden.«
Ich stand da und nickte. Sie hatte Recht. Es gab nichts mehr zu sagen. Kein Wort mehr würde das Ganze besser machen. Ab und zu muss man einfach einsehen, dass man derjenige ist, der einem anderen Schmerzen bereitet. Man muss es akzeptieren. Es gibt keine Entschuldigung, es gibt keine Rechtfertigung.
Nina hob noch einmal die Hand und winkte mir zu. Sie lächelte kurz, drehte sich dann um und verschwand in der Nacht. Ich blieb eine Weile so stehen, und in meinem Kopf drehten sich die Gedanken. Ich fühlte mich schlecht und gut zugleich, euphorisch und niedergeschlagen und unendlich erschöpft. Ich wusste, dass ich noch sehr, sehr lange an diese Nacht denken würde.
Dann kehrte ich zu Katie zurück, und gemeinsam schlenderten wir davon. Ohne dass wir darüber sprechen mussten, wussten wir, wohin wir wollten - ans Meer. Und zwar genau an die Stelle, an der wir uns kennengelernt hatten.
Das Cap Formentor ist die äußerste nordöstliche Spitze von Malle, ein rauer, kraftvoller Ort. Die Landschaft ist felsig und nur von einer spärlichen Vegetation bewachsen. In der Tiefe tobt ein wildes strahlend blaues Meer, und rund ums Jahr weht einem ein kräftiger Wind um die Ohren.
Hinter dem Leuchtturm, der sich auf dem Kap erhebt, führt ein schmaler Weg an die äußerste Felsenspitze. Es ist eigentlich verboten, dort entlangzugehen, aber natürlich tun Katie und ich es trotzdem. Diesmal gehe ich voran, und zwar mit sicheren Schritten. Kein Schwindel mehr, auch hier nicht.
Dann stehen wir gemeinsam auf einem Felsstück und blicken aufs Meer hinaus. Ganz schwach zeichnet sich im Dunst die Silhouette von Menorca, der Nachbarinsel, ab, aber ansonsten verliert sich unser Blick in einer dunstigen Endlosigkeit. Katie steht vor mir auf einem kniehohen Findling und breitet die Arme aus. Ich halte sie fest, so dass sie die Augen schließen und sich fühlen kann wie eine der Möwen, die vor uns im Wind segeln.
Dann hopst sie von dem Stein herunter, und ich nehme ihre Stelle dort oben ein. Diesmal bin ich derjenige, der die Arme ausbreitet. Ich muss schreien, so wie ich es sonst eigentlich nur alleine tue, wenn ich auf dem Surfboard stehe. Aber sie darf es ruhig hören, sie darf überhaupt alles.
»Ich bin der König von Mallorca«, schreie ich, so laut es nur geht. Und die einzige Antwort, die ich erhalte, ist das krächzende Lachen der Möwen.
Verlagsgruppe Random House
Vollständige deutsche Erstausgabe 03/2009
Copyright © 2009 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Gemälde: © mauritius images / Artur Cupak
eISBN : 978-3-641-02436-9
www.heyne.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher