Billigflieger
natürlich ein Vermögen. Letztes und vorletztes Jahr haben wir uns mit einem einfachen Trick geholfen: Statt Handgepäck haben wir einfach jeder einen Kasten Bier mit in die Maschine genommen. Das genügte für uns selbst und auch noch für ein paar andere durstige Kerle an Bord.
Aber seit diese Spaßbremsen aus Arabien, diese sogenannten Terroristen, weltweit ihre dunklen Machenschaften betreiben, ist ja nichts mehr wie vorher. Neuerdings ist es nicht einmal mehr erlaubt, überhaupt Flüssigkeit mit ins Flugzeug zu nehmen. Und schon gar nicht etwas Hochprozentiges. Traurige Zeiten sind das!
Heute aber ist mir das egal. Ich möchte diesen Moment mit meinen Freunden zusammen genießen, und das heißt, ich stoße mit ihnen an: auf uns, auf unseren Urlaub und darauf, dass sie mir in dieser schwierigen Zeit so kurz vor meiner Hochzeit beistehen.
Hacki, Benni, Schröder und ich kennen uns seit Jugendtagen. Wir sind im selben Sportverein groß geworden, haben gemeinsam als Kinder Zigaretten geklaut, dann unsere Mofas frisiert und etwas später die ersten Mädchen aufgerissen. Wir haben zusammen die Schule abgeschlossen, sind in die freiwillige Feuerwehr eingetreten und haben uns dabei geholfen, einen Ausbildungsplatz und dann einen Beruf zu finden. Noch später haben wir uns gegenseitig als Trauzeugen zur Seite gestanden und die Patenschaften für unsere Kinder übernommen - bis auf mich, denn als Einziger in unserer Runde bin ich ja immer noch Junggeselle und kinderlos. (Okay, für Benni gilt dasselbe, aber er ist ein paar Jahre jünger als wir anderen und genießt daher noch eine Art Welpenschutz.) Kurz und gut, die Jungs und ich, wir sind das, was man eine eingeschworene Gemeinschaft nennt. Echte Freunde. Oder noch besser: echte Männerfreunde .
Kurz darauf serviert uns Katja - ich lese ihren Namen auf dem Namensschild an ihrer Uniformbluse - vier Dosen Bier und vier Plastikbecher. Ja, jetzt ist mir wieder einmal klar, warum diese ganzen neuen Airlines Billigflieger heißen: Eine Flugreise ist einfach nicht mehr der Genuss, der es früher einmal gewesen ist. Ich spreche jetzt übrigens nicht von dem Dosenbier, das gab es früher schon. Nein, ich rede von dieser Katja. Die war früher bestimmt mal Metzgereifachverkäuferin, danach Modell für XXXL-Dessous und schließlich Fotomodell für Aknecreme-Werbung, allerdings nur in der Rubrik »Vorher«. Dann beschloss sie aus lauter Verzweifelung Stewardess zu werden, natürlich in der Hoffnung, dass sich irgendein sexuell ausgehungerter Fluggast doch noch ihrer erbarmt.
Soll heißen, die Zeiten, in denen Flugbegleiterinnen Spitzenklassefrauen waren, bei denen man sich wünschte, dass die Maschine über dem offenen Meer abstürzt und man mit ihnen drei Wochen in einer Rettungsinsel durch den Ozean treibt, sind einfach vorbei. Aber dafür kostet das Flugticket eben auch nur noch ein Zehntel von dem, was man früher berappen musste.
Die Jungs heben ihre Becher und prosten mir so lautstark zu, wie es sich für Malle-Urlauber gehört: »Auf dich, Jo.«
»Auf deine letzte Reise in Freiheit.«
»Und darauf, dass es eine unvergessliche Woche wird!«
Ich bin total gerührt. »Und auf euch, Jungs. Und glaubt mir, auch wenn ich heirate: Eigentlich seid ihr die Menschen, mit denen ich zusammenleben möchte!«
Der Kapitän sagt gerade durch, dass wir unsere aktuelle Flughöhe verlassen und mit dem Landeanflug auf Palma beginnen. Super, dann kann die Party ja bald losgehen!
Die Maschine macht eine sanfte Linkskurve, und ich drücke die Stirn gegen das Bullauge. Tief unter uns liegt Mallorca, diese wunderschöne Baleareninsel, die jetzt im Sommer eher braun als grün im Sonnenlicht schimmert.
Was ist nicht alles schon über dieses Stück Land im Mittelmeer gesagt worden: Es sei das siebzehnte Bundesland, das Paradies für Partymacher, die Perle des Mittelmeers. Vermutlich stimmen alle diese Dinge. Und trotzdem treffen sie nicht die wahre Bedeutung der Insel, die sich rund achtundneunzig Kilometer in der Breite und achtundsiebzig Kilometer in der Länge erstreckt und deren höchster Gipfel sich immerhin fast eintausendfünfhundert Meter über den Meeresspiegel erhebt. Mallorca ist so vielfältig, bezaubernd und fruchtbar, dass es sich schon die Römer vor über zweitausend Jahren hier bequem gemacht haben. Danach kamen die Spanier, zwischendurch die Araber und jetzt eben wir Deutschen, unterstützt von ein paar sonnenhungrigen Engländern.
Nein, die wahre Dimension von Malle ist
Weitere Kostenlose Bücher