Bin ich hier der Depp
als machten die Mitarbeiter pausenlos Urlaub, in der Firma und außerhalb.
Die visionäre Kraft dieses Kanzlerwortes wurde von Managern erst später erkannt. Mit dem Internet-Boom zur Jahrtausendwende hat eine neue Ära der Arbeit begonnen: Immer mehr Firmen machen tatsächlich auf Freizeitpark, inspiriert von US -Arbeitgebern wie dem Suchmaschinen-Giganten Google. Sie schleppen Tischtennisplatten herbei, richten Fitnessstudios ein, verteilen Kicker über die Flure. So viele Gemälde hängen an den Wänden, dass kein Mensch mehr ins Museum muss. Der Nachwuchs wird im firmeneigenen Kindergarten versorgt, das reparaturbedürftige Auto direkt vom Firmengelände abgeholt, der Lebensmittel-Einkauf auf Wunsch erledigt. Und wenn es irgendwo zwickt oder drückt, springt sofort der Betriebsarzt herbei.
Das Firmengebäude gleicht einem Verwöhn-Tempel: Ein Masseur knetet Verspannungen weg. Sanfte Musik flutet die Aufenthaltsräume. Sessel laden zum Dösen ein, Flipperautomaten zum Spielen, exotische Leinwände zum Träumen. Überall stehen Schalen mit Obst und Karaffen mit frisch gepressten Säften. Das Gebäude riecht nach Kaffee, nach Plätzchen, nach Freizeit – aber nicht nach Arbeit.
Die Firma als persönlicher Diener ihrer Mitarbeiter: als Kuschelecke, als Gratisrestaurant, als Freizeitpark.
Mit dieser Tarnung verfolgen Unternehmen einen knallharten Zweck: So bequem soll es sein in ihren heiligen Hallen, so heimelig und so luxuriös, dass der Mitarbeiter gar nicht mehr nach Hause will! Denn was hat ihm im Vergleich dazu seine Zwei-Zimmer-Wohnung zu bieten, mal abgesehen von einer unausgeräumten Spülmaschine, einem überquellenden Briefkasten und einer schon mehrfach angemahnten Einkommenssteuererklärung?
Sogar Familienväter und -mütter ziehen es oft vor, die Arbeitsbesprechung mit den Kollegen um 20.00 Uhr im Fitnessraum fortzusetzen, statt sich zu Hause nerven zu lassen vom Kindergeschrei, vom Rasenmäher des Nachbarn und von den ewig selben Vorwürfen des Partners: »Warum kommst du erst jetzt heim? Ist dir die Arbeit wichtiger als ich?«
Der moderne Arbeitsplatz ist ein Fliegenfänger: Mit seinem süßen Duft lockt er die Mitarbeiter an – und dann bleiben sie kleben. Gerne 60, 70 Stunden pro Woche. Die Angestellten lassen sich auf einen psychologischen Vertrag mit der Firma ein, aber sie lesen nur die Vorderseite: »Arbeit ist bei uns wie Freizeit.« Auf der Rückseite übersehen sie den Umkehrschluss: »Freizeit ist bei uns wie Arbeit«!
Wenn die Grenze zwischen Freizeit und Arbeit, zwischen Kollegen und Familie verwischt, dann ist der Mitarbeiter seiner Arbeit so schutzlos ausgeliefert wie ein Soldat dem Friendly Fire: Vor Angriffen des Gegners geht man in Deckung. Doch mit Attacken aus den eigenen Reihen rechnet man nicht und wird voll getroffen.
Die Rechnung der Firmen ist einfach: Wenn der Mitarbeiter jeden Tag zwei Gläser Saft trinkt und zwei Äpfel isst, kostet das schlappe zwei Euro. Wenn er jedoch zwei unentgeltliche Arbeitsstunden im Gegenzug spendiert, kann das locker 120 Euro bringen – ein gutes Geschäft! Und auch das Fitnessstudio rechnet sich schnell, wenn der Mitarbeiter am Samstag oder während seines Urlaubs nicht nur dort vorbeischaut (45 Minuten), sondern gleichzeitig im Büro (mindestens 90 Minuten).
Die Firma gaukelt eine Ersatzfamilie vor, unter anderem durch Chefs, die sich von jedem duzen lassen, auch von der Putzkolonne. Doch merkwürdigerweise driften alle Gespräche, ob im Massagesessel oder im Fitnessstudio, immer zum selben Thema: zur Arbeit. Wie ist der Stand des Projektes? Wer kennt einen Kontaktmann bei diesem Zulieferer? Wie ließe sich diese Präsentation noch aufhübschen?
Schnell beugen sich die Köpfe wieder über einen Laptop, schnell werden neue Mails abgefeuert, Lieferanten angerufen, Strategien entwickelt, Tagungen gebucht, Meetings für 19.30 Uhr anberaumt. Die vermeintliche Freizeit ist nur ein Anlauf für den nächsten Sprung in die Arbeit.
Und der Chef spielt lediglich so lange Kumpel, bis die erste Abmahnung wieder an die wahren Machtverhältnisse erinnert. Und wie verträgt es sich eigentlich, dass die Bosse im Freizeitpark den Teamgeist beschwören und die Gleichheit predigen, während sie selbst in den schönsten Büros residieren, die dicksten Dienstwagen fahren und sich über die größte Zahl auf dem Gehaltszettel freuen?
Wen solche Zweifel beschleichen, der bekommt Probleme. Denn im Freizeitpark entstehen oft Arbeits-Sekten, mit dem Chef als
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