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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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jetzt das!
    Bali.
    Ich bin auf Bali.
    Das war der längste Tag meines Lebens.
    Ich bin heute Nachmittag gelandet, todmüde und stocksteif nach vierundzwanzig Stunden Flugzeit. Nach dem Abschied von Jonah war ich so verheult und durch den Wind, dass meine Schwester mir zwei Zigaretten als Notration gab. Ich verstaute sie in der Tasche meiner grauen Wollhose, und als ich in Denpasar aus dem Flugzeug stieg, merkte ich, dass von beiden nur noch Tabakkrümel übrig waren.
    Bedauerlich, denn ich hätte eine letzte Dosis Heimat gut gebrauchen können, bevor ich mich zu einem Fremden in seinen Land Rover setzte und mit ihm nach Norden fuhr, in ein Dorf namens Penestanan in der Nähe der Stadt Ubud, die laut Reiseführer das spirituelle und künstlerische Zentrum von Bali ist.
    Der erste Eindruck von Bali? Heiß ist es hier. Heiß wie in der Sauna. Der winzige Flughafen von Denpasar ist so groß wie der Fährterminal von Seattle und genauso von Ausländern belagert. Die anderen allerdings waren schlau genug, Leinenkleidung zu tragen. Die Französin neben mir am Zoll beäugte mich und meinen schwarzen Rollkragenpullover von der Seite und beugte sich dann zu ihrem Mann hinüber: »Quelle idiote«, sagte sie, »elle est sûrement Americaine.«
    Eigentlich hätte ich mich aufregen müssen, nur hatte sie leider recht. Ich fummelte an den Tabakkrümeln in meiner Hosentasche herum.
    Auf der einstündigen Autofahrt nach Penestanan fragte ich mich, ob ich tatsächlich den Flug über den Pazifik überlebt hatte, um hier mitten in Indonesien zu sterben. Heilige Madonna, Mutter Gottes, diese Indonesier rasen durch die Gegend wie reinkarnationssüchtige Fluginsekten. Ich machte mich allen Ernstes darauf gefasst, dass wir bei der Ankunft mindestens eine Handvoll Leute auf dem Gewissen haben würden.
    (Meine Reiseführer versicherten mir, die Balinesen seien ein sehr heiliges, überaus frommes Volk. Auf den Fernstraßen ist davon nichts zu merken.)
    Und heiliger Strohsack, diese Hunde! Wir fuhren mitten auf der Straße, als ein Rudel räudiger Hunde uns direkt vor den Kühler sprintete. Ketut, der Fahrer, ein Mann mit einem gutmütigen Gesicht und wunderschönen Zähnen, kurvte ungerührt um sie herum.
    »Welpen!«, lachte er frohgemut.
    Ich heuchelte Begeisterung.
    »Süß! Ich mag Hunde, wirklich, und wie!« Aber das war gelogen; dieses Rudel sah gemeingefährlich aus. Sie rannten heiser kläffend neben dem Landrover her und hatten offensichtlich nur eines im Sinn – Angst und Seuchen zu verbreiten. Ihre Rücken starrten vor Dreck, und mehr als einem fehlte ein Auge oder Bein. Aber als wir abbremsten, sah ich auch, dass alle … äh … eine intakte Männlichkeit besaßen. Solche Eier an einem Hund, das ist irgendwie schockierend. Der Anblick ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Wenn diese Hunde nicht kastriert werden, gibt es bald noch viel mehr von der Sorte.
    Wir hielten an einer Ampel, und plötzlich war unser Wagen umringt von Männern, die Zeitungen durch die offenen Fenster streckten. Ketut schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf.
    »Java«, sagte er. »Fahr nie mit javanischem Fahrer.«
    »Warum nicht?«
    »Sie bescheißen dich. Du bist Australierin?«
    »Nein. Amerikanerin.«
    »Oh.« Seine Augen leuchteten auf, und er deutete nach rechts. »Wir haben Restaurants von euch!«
    Neben der Fernstraße ragte wie eine Plastik-Ritterburg ein McDonald’s auf. Ketut deutete darauf und bog gleichzeitig einhändig auf eine schmale Lehmpiste ein, wobei er um ein Haar drei Motorradfahrer umgenietet hätte. Bald darauf holperten wir durch Dörfer, vorbei an strohgedeckten Häusern, Frauen mit riesigen Wäschestapeln oder Baumaterial auf dem Kopf und noch mehr Hunden.
    Massenhaft Hunden.
    Ich sitze zwei Monate hier fest. Das ging mir beim Anblick dieser Hunde durch den Kopf, während ich versuchte, nicht daran zu denken, wie diese Hunde riechen würden. Mechanisch reagierte ich auf Ketuts Geplauder über McNuggets und Milkshakes, aber ich war nicht bei der Sache. Ich war gerade in der Realität gelandet. Denn bisher war das alles nur eine Phantasie gewesen. Ich hatte mir diese Reisende – mich, aber mit eleganteren Armen und Kleidern – in einem reizvollen Mix aus National-Geographic-Panorama und Eine-Welt-Shop vorgestellt. Jetzt hatte in meinem Kopf nur noch ein Gedanke Platz: Ich werde hier, in dieser stickigen, stinkenden Hitze, zwei ganze Monate zubringen.
    Frühling auf Bali klang für mich inzwischen ungefähr so

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