Binde Deinen Karren an Einen Stern
zu einer „wahren Geschichte“ in dem Sinne, den Viktor E. Frankl im Auge hatte, als er (im Buch „Der unbewusste Gott“, dtv, München, 7. Auflage 1992) fragte:
„Ist es nicht so, dass die Annäherung an das Geheimnis und Rätsel der höchsten Wahrheit eher auf dem symbolischen Wege als auf einem bloß abstrakten etwas hergibt? Konrad Lorenz – der Naturwissenschaftler Konrad Lorenz! – war es, der im Rahmen eines Fernsehinterviews wörtlich sagte: ‚Wenn Sie global den Wahrheitsgehalt einer Weltanschauung betrachten, den Wahrheitsgehalt der Hinterhuberbäuerin in Grünau und den Wahrheitsgehalt der Weltanschauung von B. F. Skinner, so kommen Sie darauf, dass die Bäuerin, die an die unbefleckte Empfängnis Mariens und an den lieben Gott und alle Heiligen glaubt, der Wahrheit näher ist als der Behaviorist.‘“
Lassen wir uns also von der Geschichte des unbekannten Autors anrühren, die wahrer sein könnte, als die Vernunft begreift:
Mit den Hirten betrat ich den Stall und schaute mich um. Ich sah die Tiere, Maria und Josef und die Krippe. Ich schaute das Kind an, und das Kind schaute mich an. Plötzlich bekam ich einen Schreck und Tränen traten mir in die Augen. „Warum weinst du?“, fragte das Jesuskind. „Weil ich dir nichts mitgebracht habe
!“
„Ich möchte aber gern etwas von dir bekommen“, sagte das Jesuskind. Da wurde ich rot vor Freude. „Ich will dir alles schenken, was ich habe“, entgegnete ich. „Drei Dinge möchte ich gern von dir“, sagte das Jesuskind. Ich fiel ihm gleich ins Wort. „Meinen neuen Mantel, mein Fahrrad und mein spannendes Buch?“ „Nein“, erwiderte das Jesuskind, „das alles brauche ich nicht. Dazu bin ich nicht auf die Erde gekommen. Ich möchte etwas ganz anderes von dir haben.“
Ich überlegte. „Was denn?“, fragte ich unsicher. „Schenk mir deinen letzten Aufsatz“, sagte das Kind leise, damit es niemand hören konnte. Ich erschrak. „Jesus“, stotterte ich und kam ganz nah an die Krippe heran, „da hat doch der Lehrer ‚nicht genügend‘ darunter geschrieben“. „Eben deshalb möchte ich ihn haben.“ „Aber warum denn?“, fragte ich. „Du sollst mir immer das bringen, wo ‚nicht genügend‘ darunter steht. Versprichst du mir das?“ „Ja, sehr gern“, antwortete ich.
„Ich möchte noch ein zweites Geschenk von dir“, sagte das Jesuskind. Hilflos guckte ich umher. „Deinen Trinkbecher“, fuhr das Kind fort. „Aber den habe ich heute morgen zerbrochen“, entgegnete ich. „Du sollst mir immer das bringen, was du in deinem Leben zerbrochen hast. Ich will es wieder heil machen. Gibst du mir auch das?“ „Das ist schwer. Aber wenn du mir dabei hilfst
!“
„Nun mein dritter Wunsch“, sagte das Jesuskind. „Bring mir die Antwort, die du deiner Mutter gegeben hast, als sie fragte, wie denn der Becher kaputt gegangen sei.“ Da legte ich die Stirn auf die Kante der Krippe und weinte. „Ich, ich, ich …“, brachte ich unter Schluchzen heraus, „in Wahrheit habe ich den Becher nicht umgestoßen, sondern ihn absichtlich auf den Boden geworfen, weil ich wütend war auf meine Mutter.“ „Ja“, sagte das Kind, „bring mir immer alle deine Lügen, deinen Trotz, deine Enttäuschung, deinen Ärger, dein Böses, was du getan hast. Ich will dich annehmen und dir vergeben. Ich will dich an deiner Hand nehmen und dich führen.“
Und ich schaute, hörte und staunte …
Inszeniertes Drama: die Hysterie
Eine seelische Krankheitsform, bei der den Betreffenden jegliches „zuliebe“ abhanden gekommen zu sein scheint, ist die Hysterie. In modernen Diagnosekatalogen findet man sie unter den Fachausdrücken „multiple“ oder „dissoziative Persönlichkeit“, „somatoforme Störung (Konversionsneurose)“, „histrionisches Verhaltensmuster“ und manchmal auch in Verwechslung bzw. Vermischung mit dem „Borderline-Syndrom“. Da diese Fachausdrücke jeweils nur eine bestimmte Facette der Hysterie akzentuieren, möchte ich hier der Einfachheit halber den ursprünglichen Namen beibehalten. Der Nachteil ist, dass der Begriff „hysterisch“ im Volksempfinden einen kränkend-negativen Beigeschmack hat. Man assoziiert damit das abschreckende Getue überspannter Frauen, aber Hysteriker können sich auch sehr sanft und lieblich präsentieren – wenn es in ihr Szenario passt. Viktor E. Frankl listete drei wesentliche Merkmale des hysterischen Charakters auf:
Unechtheit, krankhafter Egoismus, berechnendes Wesen.
Mit Unechtheit ist
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