Bindung und Sucht
und fördernde Umwelt . München (Kindler).
FABIENNE BECKER-STOLL
Bindungsrepräsentation und Therapieerfolg bei essgestörten Patientinnen
Der Bindungstheorie kommt die Rolle einer integrativen und übergeordneten Theorie zu, da sie entwicklungspsychopathologische Perspektiven und entwicklungspsychologische Aspekte vereinigt und Forschungsparadigmen entwickelt hat, die eine längsschnittliche empirische Überprüfung von Hypothesen ermöglichen.
Die Bindungstheorie versucht, die menschliche Neigung, enge emotionale Beziehungen zu anderen zu entwickeln, in ein Konzept zu bringen und zu erklären, wie frühe Erfahrungen in den ersten Bindungsbeziehungen sich auf die weitere sozio-emotionale Anpassung im Lebenslauf auswirken (Grossmann & Grossmann 1991, 2001 a; Grossmann et al. 2003).
Die Konzepte der Bindungsforschung lassen sich mit neueren Konzepten der Entwicklungspsychopathologie verbinden. Die Entwicklungspsychopathologie untersucht – ausgehend von der normalen Entwicklung – verschiedene Pfade und Faktoren in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung, die zu abweichenden Entwicklungen führen, bzw. solche, die eine Abweichung von der Normalität verhindern. Die Bindungsforschung geht ähnlich vor. Auch hier wird zunächst die normale Entwicklung beschrieben, und anschließend werden die Folgen unterschiedlicher Bindungsqualitäten für die weitere Entwicklung differentiell untersucht.
Bindungsrepräsentation im Jugend- und Erwachsenenalter
Im Jugend- und Erwachsenenalter wird die Bindungsorganisation einer Person auf der Grundlage dessen, wie ein Individuum seine bisherige Bindungsgeschichte bewertet und welchen Stellenwert es dieser zuschreibt, erfasst (Main & Goldwyn 1985; Zimmermann & Becker-Stoll 2001). Als Erhebungsinstrument hierfür wird das Bindungsinterview für Erwachsene verwendet (Adult Attachment Interview, AAI; George et al. 2001). Die Fragen beziehen sich auf die Beschreibung der Beziehung zu den Eltern in der Kindheit – spezifischer aufErfahrungen von Trost, Zurückweisung und Trennung – und auf den subjektiv bewerteten Einfluss dieser Erfahrungen auf die eigene Persönlichkeit. Bei der Auswertung wird vor allem auf die Organisation der Gedanken, Erinnerungen und Gefühle geachtet, die sich in sprachlichen Kohärenzkriterien manifestiert, und weniger auf die tatsächlichen berichteten Erfahrungen (Main & Goldwyn 1985; Zimmermann & Becker-Stoll 2001). Anhand des Interviews werden im Wesentlichen vier verschiedene Klassifikationen vorgenommen:
Eine sichere Bindungsrepräsentation zeichnet sich durch eine kohärente Schilderung der eigenen Bindungsgeschichte aus, mit einer Wertschätzung von Bindungsbeziehungen und einer offenen Bewertung der eigenen Erfahrungen als für die eigene Persönlichkeitsentwicklung relevant. Hierbei können sowohl positive als auch negative Erfahrungen geschildert werden. Wesentlich ist die emotionale und mentale Organisation, die es der Person erlaubt, auch negative Beziehungserfahrungen bewusst zu berichten, als belastend zu bewerten und in ein schlüssiges Gesamtbild zu integrieren.
Eine unsicher-distanzierte Bindungsrepräsentation ist durch eine widersprüchliche Darstellung der Elternbeziehung gekennzeichnet, die idealisiert wird; durch ein auffallendes Fehlen von Erinnerungen, eine Abwertung von Bindungserfahrungen oder -personen und ein Betonen eigener Unabhängigkeit.
Personen, die als unsicher-verwickelt in ihrer Bindungsrepräsentation klassifiziert werden, sind in ihre Kindheitsgeschichte verstrickt und können kein klares Bild ihrer Erfahrungen vermitteln. Ihre meist sehr langen Schilderungen sind von gegenwärtigem Ärger auf die Bindungspersonen geprägt, von aktuellen Konflikten mit ihnen oder von Passivität gegenüber den gemachten Erfahrungen.
Die Klassifikation als unverarbeitet-traumatisiert, die zusätzlich zu den o. g. Hauptklassifikationen vergeben wird, zeigt sich darin, dass bei der Schilderung traumatischer Erfahrungen sprachliche Auffälligkeiten, z. B. ein Zerfallen der Sprache, Verwechseln von Pronomina oder ein Sich-Verlieren in nebensächlichen Details, vorkommen.
In manchen Fällen ist im Verlauf des Interviews ein starker Wechsel der Muster zu finden, so dass der Diskurs über die eigene Bindungsgeschichte nicht eindeutig und so als »nicht eindeutig klassifizierbar« bewertet wird, was gehäuft bei Patienten mit psychischen Störungen vorkommt (Zimmermann & Fremmer-Bombik 2000).
Bindung, Coping und Emotionsregulation
Die
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