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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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Mechanismen vor, nach denen eine sichere Bindungsorganisation als Schutzfaktor wirksam werden kann:
    1.) Sichere Bindung als Ausgangspunkt eines Entwicklungspfades zu Kompetenz : Nach Sroufe (1989 b) gibt es für jede Altersstufe der Kindheit spezifische Entwicklungsthematiken, die alterstypische Anpassungsleistungen darstellen. Die erfolgreiche Lösung einer Entwicklungsthematik begünstigt die erfolgreiche Lösung der nächsten Thematik. Damit gibt die Entwicklung einer sicheren Bindung im ersten Lebensjahr eine erste Richtung der Entwicklung von weiteren Kompetenzen vor, auch weil sie die Entwicklung von Selbstregulation und Selbstwirksamkeit ermöglicht.
    2.) Sichere Bindungsorganisation als Risikopuffer : Eine sichere Bindungsqualität kann helfen, eine kritische und belastende Lebenssituation besser zu bewältigen, und damit eine mögliche Verhaltensabweichung verhindern. Dies wird durch eine gut entwickelte Autonomie und damit einhergehendes Kompetenz- und Selbstwertgefühl und durch die Fähigkeit des Individuums, beim Umgang mit Lebensaufgaben auf unterstützende Bezugspersonen zurückzuzugreifen, ermöglicht.
    3.) Sichere Bindungsorganisation als Einflussfaktor auf Therapie und Intervention : Aus entwicklungspsychopathologischer Sicht wird Resilienz nicht als Unverwundbarkeit verstanden, sondern zeigt sich vielmehr in der Fähigkeit zurraschen adaptiven Veränderung bei Störungen oder Verhaltensabweichungen (Werner 2000; Anthony 1987). Eine sichere Bindungsorganisation kann im therapeutischen Prozess ein Prognosefaktor für einen Therapieerfolg sein, weil dieser von der Fähigkeit, sichere Beziehungen aufzubauen und Hilfsangebote zu nutzen, wesentlich abhängt.
    Eine sichere Bindungsorganisation ist per se also kein Schutz gegen psychische Störungen. Jedoch ist zu erwarten, dass ein sichereres Arbeitsmodell, auf der Grundlage bisheriger Erfahrungen von effektiver Emotionsregulation und Selbstwirksamkeit, eine günstigere Voraussetzung bildet, um unterstützende Beziehungen oder professionelle Hilfe aufzusuchen und nutzen zu können, als dies bei einer unsicheren Bindungsrepräsentation der Fall ist. Bisheriges Vertrauen in Beziehungen, direkte Kommunikation von Gefühlen, Flexibilität und Offenheit bei der Verarbeitung von Informationen sowie Reflexionsfähigkeit stellen eine günstige Grundlage dar, um dysfunktionale Bewältigungsstrategien oder auch belastende, traumatische Erfahrungen bearbeiten zu können (Carlson & Sroufe 1995).
    Die Konzepte der Bindungsforschung – wie z. B. das der inneren Arbeitsmodelle und ihres Einflusses auf die Emotionsregulationsfähigkeit – bieten im Rahmen der Entwicklungspsychopathologie einen integrativen Ansatz, der Risiko-Schutz-Modelle mit den Auswirkungen konkreter Bindungserfahrungen verbindet, und ermöglichen eine Ausdifferenzierung der zugrunde liegenden Wirkmechanismen (Zimmermann 1999 a, 2000 a, 2002).
Stabilität der Bindungsrepräsentation
    Das AAI (Main & Goldwyn 1985) weist eine exzellente Test-Retest-Reliabilität über drei Monate von 78 % bis 90 % auf (Bakermans-Kranenburg & van IJzendoorn 1993; Sagi et al. 1994). Studien zur Kurzzeitstabilität der Bindungsrepräsentation konnten eine Konkordanz von 86 % bis 90 % über eine Zeitspanne von 11 bis 18 Monaten nachweisen (Benoit & Parker 1994; Crowell et al. 1999). Treboux und Crowell (2001) fanden eine Stabilität der Bindungsrepräsentation von 85 % über einen Zeitraum von 18 Monaten bei jungen Erwachsenen, die sie vor und nach ihrer Heirat befragt hatten, sowie eine signifikante Konkordanz von 82 % fünf Jahre später.
    In einer früheren Studie konnte bei Erwachsenen eine Stabilität der Klassifikation der Bindungsrepräsentation von 72 % über einen Zeitraum von 12 Jahren nachgewiesen werden (Becker-Stoll et al. 1998). Die Ergebnisse zeigten, dass dieberichteten Bindungserfahrungen eher stabil blieben und die Veränderung der Bindungsrepräsentation auf eine veränderte Bewertung der Kindheitserfahrungen zurückzuführen war. Veränderungen der Bindungsrepräsentation im Erwachsenenalter können durch neue, unterstützende Erfahrungen in engen Beziehungen oder durch eine Neubewertung vergangener Erfahrungen erklärt werden.
    Im Jugendalter und speziell in der späten Adoleszenz ist zwar von einer zunehmenden Stabilität innerer Arbeitsmodelle von Bindung auszugehen, gleichzeitig stehen in dieser Lebensphase jedoch vielfältige normative Veränderungen in der Beziehung zu den Eltern, den Peers und

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