Bindung und Sucht
wiederum die Entwicklung eines Kindes beeinflusst. Es liegt auf der Hand, dass hier die wahrscheinliche Entwicklung einer Bindungsproblematik auch mit einem höheren Risiko späterer Abhängigkeit verbunden ist.
Traumatisierung und Abhängigkeit
Bezüglich der Zusammenhänge zwischen seelischer Traumatisierung und stoffgebundener Abhängigkeit ist mittlerweile viel geforscht und auch geschrieben worden. Zur Einführung möchte ich mich hier mit dem Thema der Nikotinabhängigkeitbeschäftigen. Bekanntermaßen ist das Risiko für die Komorbidität von posttraumatischer Belastungsstörung und Nikotinabhängigkeit mit einer Odds-Ratio von 2,7 hoch. Zugleich sind die Chancen der Entwöhnung Nikotinabhängiger bei gleichzeitig bestehender posttraumatischer Belastungsstörung schlecht. Nur 2 % dieser Patienten erreichen Nikotinabstinenz (Hapke et al. 2005).
Uns kann nun die Frage beschäftigen, wann Raucher rauchen. Raucher ohne posttraumatische Belastungsstörung rauchen typischerweise zur Tasse Kaffee, nach dem Essen oder die berühmte Zigarette danach. Raucher mit posttraumatischer Belastungsstörung rauchen hingegen, wenn sie Flashbacks erleben, wenn ein Hyperarousal auftritt oder wenn negative Affekte anfluten (Beckham et al. 2005). Schnieders wies auf die hohe Symptombelastung drogenabhängiger Patienten mit Erfahrungen von sexueller Gewalt oder Vernachlässigung in der Kindheit hin. Für weibliche Abhängige beschrieb sie einen Zusammenhang zwischen der früheren Erfahrung und dem Drogenkonsum (Schnieders et al. 2006). Eine sehr wichtige Arbeit in diesem Bereich ist die Metaanalyse von Chen und Mitarbeitern, die 2010 veröffentlicht wurde (Chen et al. 2010). Die Autoren beschäftigten sich mit den Folgen von sexualisierter Gewalt in der Kindheit. In ihrer Metaanalyse über mehrere Studien beschrieben sie das Risiko für das Auftreten einer Komorbidität. Hier liegt die Odds-Ratio mit 2,7 für das Auftreten von stoffgebundener Abhängigkeit im späteren Leben höher als das Risiko für die Entwicklung einer PTBS (OR 2,34).
Ich möchte nun die Überlegungen über den Zusammenhang zwischen seelischer Traumatisierung, Traumafolgestörungen und Abhängigkeit vertiefen.
Die Bedeutung der komorbiden posttraumatischen Belastungsstörung bei Abhängigen kann kaum noch in Zweifel gezogen werden. Beutel (1999) hat Daten aus einer deutschen Fachklinik vorgelegt. Auch die ACE-Studie (ACE = Adverse Childhood Experiences) zeigt den eindeutigen Zusammenhang zwischen belastender Lebenserfahrung und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Substanzabhängigkeit (Felitti 2002). Karadag et al. (2005) haben vor einiger Zeit auf die hohe Prävalenz dissoziativer Störungen bei von Alkohol und Drogen Abhängigen hingewiesen. Der Zusammenhang dissoziativer Störungen mit einer Traumatisierung wird mittlerweile kaum noch in Zweifel gezogen. Hier ist nicht nur von Interesse, dass die Abhängigkeit bei denjenigen Patienten, die gleichzeitig eine dissoziative Störung aufwiesen, schwerer verläuft, sondern auch, dass die dissoziative Störung früher als die Abhängigkeit auftrat. Dies ist für Überlegungen zur Pathogenese von Interesse.
In der Literatur werden ätiopathogenetische Konzepte diskutiert. Allgemein wird davon ausgegangen, dass eine zugrunde liegende Traumatisierung zurPTBS führt und die sich daraus ergebende Symptomatik autochthon oder auch iatrogen in den Substanzabusus und konsekutiv in die Abhängigkeit führt. Ein alternatives Modell nimmt an, dass die Entwicklung der Abhängigkeit vorausgeht und durch die veränderten Lebensumstände das Risiko einer Traumatisierung und Entwicklung der PTBS ansteigt. Auch ich sehe häufiger eine Entwicklung aus der Traumafolgestörung heraus in die Abhängigkeit, wobei im wirklichen Leben reine Modelle selten zu finden sind und das Risiko einer weiteren Traumatisierung, insbesondere bei den Konsumenten und Abhängigen von illegalen Drogen, nicht zu vernachlässigen ist. Dabei ist die Frage nach der Reihenfolge zweitrangig, da beim Vorliegen komorbider Störungen jede ihrer spezifischen Behandlung bedarf (Hase 2003). Allerdings liegen mittlerweile Erkenntnisse vor, die die Priorität der Traumabehandlung betonen (Hien et al. 2010).
Therapie der Traumafolgestörungen
Es liegt auf der Hand, dass die Suchttherapie und die Psychotraumatologie voneinander profitieren können. Hier ist es, neben der Abhängigkeit selbst, in erster Linie die Komorbidität, die der Berücksichtigung
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